Bloodlust
Guilty As Sin
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Ende 1983 gegründet, stand bei Bloodlust anfangs Steve Gaines vorm Mikrofon, der aber im Folgejahr zu Abattoir abwanderte und deren Vicious Attack-Debütalbum einsang. Bloodlust selbst kamen derweil nicht richtig vom Fleck, so dass Gitarrist Earl Mendenhall zeitweise selber sang und man u.a. auch einige Zeit mit Neil Turbin probte, der bekanntlich nach dem Debütalbum bei Anthrax den Laufpaß bekommen hatte. Aber keine Lösung erwies sich als dauerhaft, bis letztlich Guy Lord zur Band stieß, ein solider, aber keine Bäume ausreißender Vokalist – jedoch immerhin einer, mit dem man sich vorstellen konnte, dauerhaft zu arbeiten, so dass mit ihm am Mikrofon das Debütalbum Guilty As Sin eingespielt wurde und 1986 via Metal Blade bzw. in Europa als Lizenzausgabe bei Roadrunner das Licht der Welt erblickte. Aber auch Lords Geschichte mit der Band blieb kurz – er und Gitarrist Anthony Romero verließen Bloodlust und gründeten Lord (vermutlich nicht wissend, dass es da in Ungarn schon seit 1972 eine Hardrock-Formation dieses Namens gab, die freilich erst 1988 zu Longplayer-Ehren kam). John Lisi nahm den Platz an der zweiten Gitarre ein, und am Mikrofon fand sich ein alter Bekannter ein, nämlich Steve Gaines, mit dem 1987 ein Drei-Song-Demo namens Anti-Life eingespielt wurde.
Diese beiden Tonzeugnisse finden sich nun als Re-Release gemeinsam auf einer Scheibe wieder, remastert von Bart Gabriel (auch Labelchef von Skol Records), der aber darauf verzichtet hat, eine zu starke Glättung herbeizuführen: Das Material des Debüts ist in mehreren Sessions in mehr als einem Studio entstanden, und so findet sich beispielsweise gleich zwischen dem Opener „Soldier Of Fortune“ und dem zweiten Song „Ride To Death“ ein markanter Unterschied im Sound, während die Rhythmusgitarre im folgenden „Chainsaw“ abermals deutlich anders tönt als auf den beiden Vorgängersongs. Das dürfte aber nicht der Hauptgrund gewesen sein, dass Guilty As Sin damals recht unbeachtet blieb: Die sieben Songs bieten guten Power Metal mit gelegentlicher Speedkante und spielkulturell hochwertigen Gitarren – aber die ganz großen Highlights haben Seltenheitswert, obwohl „Soldier Of Fortune“ mit seinem spannungsaufbauenden Intro durchaus vielversprechend auftaktet und auch im flotten Hauptteil durchaus Stimmung macht. Die beiden Midtemponummern „Ride To Death“ und „Chainsaw“ indes geraten etwas zu unspektakulär, und erst „Tear It Up“ mit seiner Speedkante, die aber durch geschickte verschleppte Breaks kontrastiert wird, und seinem furiosen Doppelsolo läßt wieder richtig aufhorchen – übrigens auch noch durch zwei stilistische Komponenten: Während Bloodlust sich generell irgendwo zwischen Metal Church und Agent Steel positionierten, atmen die erwähnten verschleppten Breaks eine angedüsterte Atmosphäre, wie sie auch auf die ersten drei Fates-Warning-Alben gepaßt hätte, und Lord klingt dort, wenn er nach oben gleitet, auch tatsächlich latent wie John Arch, während er sonst in den Höhenlagen ein wenig wie Udo Dirkschneider kreischt. Letzteres kommt auch in „Bleeding For You“ zum Tragen, während die Wechsel in die extremen Höhen in den ersten Songs noch eher klassisches US-Metal-Terrain beackerten und Lord dort einen eindrucksvolleren Job machte als eine Oktave weiter unten, wo er sich freilich bevorzugt aufhielt. Im abermals midtempolastigen „Too Scared To Run“ überzeugen die leicht psychotischen Anklänge am meisten (die Schreie im Hintergrund des Mittelteils erinnern ein ganz klein wenig an gewisse Passagen in „Geisterstunde“ von Babylon, aber es ist nicht davon auszugehen, dass hier die eine Band von der anderen wußte et vice versa), und der Quasi-Hit der Platte steht ganz am Schluß mit dem speedigen und eingängigen „Rising Power“.
Damit haben wir den nächsten Grund, warum die Platte keinen großen Erfolg einheimsen konnte: Sieben Songs mit summiert weniger als 30 Minuten Spielzeit gaben dem Headbanger von damals rein quantitativ wenig Anlaß, unter dem 1986 bereits recht breiten Power-Metal-Angebot ausgerechnet dieses Werk zu wählen, wenn es an die Investition des sauer verdienten Geldes ging. Dazu tritt das völlig einfallslose Coverartwork – die im Booklet des Re-Releases abgebildete Kassettenversion hatte noch ein anderes, das nur leider arg dunkel abgedruckt ist, so dass man nicht mit letzter Gewißheit entscheiden kann, ob das die bessere Wahl gewesen wäre. Zudem gerieten Bloodlust mitten in die sich damals schon öffnende Kluft zwischen Härtnern, die längst zum Thrash abgewandert waren, und Anhängern „kommerziellerer“ Sounds, und da, so steht’s bei Otger Jeske im ersten Band des US-Metal-Lexikons, der Bandmanager und Metal-Blade-Chef Brian Slagel auf persönlicher Ebene nicht miteinander klarkamen, waren Bloodlust ihren Plattendeal alsbald wieder los und nahmen nach den oben erwähnten Personalwechseln drei Songs für das Anti-Life-Demo auf.
Diese drei Songs schrauben den Härtegrad ein wenig nach oben – freilich nicht so hoch, wie man anhand des Schädelcovers und des Titels hätte vermuten können, die auch deutlich heftigere Musik hätten hinter sich verbergen können. Mit „Guilty As Sin“ reichen Bloodlust zunächst den Titeltrack des Albums nach – keine Ahnung, warum der nicht mit auf selbigem gelandet war. Ist diese Nummer noch midtempolastig, aber etwas sägender als die Albumtracks dieser Sparte ausgefallen (im Intro freilich denkt man auch mal ganz kurz an Iron Maiden), holt das Quintett mit „Trapped In The Void“ wieder die Speedkeule aus dem Lager, und „CTR“ (so steht’s auf dem Backcover), „C.T.R“ (so liest man es im Abdruck des Demo-Artworks im Booklet) oder „C.T.R.“ (so findet man es in der Encyclopedia Metallum) läßt mit einem längeren zurückhaltenden Intro noch alle Möglichkeiten offen, sprintet dann aber auch los, als gäbe es kein Morgen, und wie schon in „Trapped In The Void“ zaubern die beiden Gitarristen, was das Zeug hält, ehe ein verschleppter Mittelteil noch weitere Farben einbringt. Gaines erweist sich als Shouter in mittelhohen Lagen, der in „Guilty As Sin“ nur ganz am Ende mal kurz nach oben gleitet, in den beiden anderen Songs geringfügig öfter, aber in allen Fällen etwas angestrengter klingend – gut, es ist ja auch nur eine Demoaufnahme. Wie zumindest zwei dieser drei Songs in einer „richtigen“ Aufnahme klangen, konnte man sich dann kurze Zeit später anhören – aber das ist dann schon wieder eine andere Geschichte, die in Kürze erzählt werden soll.
Hört man Guilty As Sin wie der Rezensent nach etwa einem Vierteljahrhundert Abstinenz wieder mal, stellt man fest, dass das alte Urteil weitgehend übernommen werden kann: anhörbarer Stoff mit etlichen Höhepunkten (die Gitarren!), aber kein unverzichtbares Highlight. Wer allerdings Combos wie etwa Griffin schätzt, könnte auch hieran Gefallen finden (zumal Guy Lord bei all seiner gesanglichen Beschränktheit William Roderick McKay immer noch locker aus dem Feld schlägt). Der Re-Release bietet neben allen Texten und einigen lobenden Äußerungen aus dem Umfeld der Band auch diverse Dokumente, wobei die historischen Rezensionen allerdings derart klein abgedruckt sind, dass man ohne Okular beim Lesen kaum auskommt.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Soldier Of Fortune | 5:34 |
2 | Ride To Death | 4:02 |
3 | Chainsaw | 3:46 |
4 | Tear It Up | 4:40 |
5 | Bleeding For You | 3:12 |
6 | Too Scared To Run | 5:01 |
7 | Rising Power | 3:17 |
8 | Guilty As Sin | 4:41 |
9 | Trapped In The Void | 2:48 |
10 | C.T.R. | 5:11 |
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Besetzung |
Guy Lord (Voc)
Steve Gaines (Voc, 8-10)
Earl Mendenhall (Git)
Anthony Romero (Git)
John Lisi (Git, 8-10)
Sandy K. Vasquez (B)
Mark E. Cuestas (Dr)
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