Bassistenarmut: Beim Jahresauftakt im Leipziger Bandhaus mit Mytherine, Trigger und Cosmic Axe steht nur ein einziger Tieftöner auf der Bühne
Wir schreiben mittlerweile 2023, und nicht nur die Kulturwelt hofft, daß eine gewisse Seuche in diesem neuen Jahr so weit in den Hintergrund tritt, daß der Betrieb endlich wieder halbwegs normal laufen kann – ob dieser Wunsch in Erfüllung geht, muß sich gerade ob der derzeitigen Lage in China erst zeigen. Aber auch andere Krankheiten gibt es noch, und eine aus dem großen in Summe zur Verfügung stehenden Arsenal führt dazu, daß Ironbite ihr Erscheinen beim „Heavy New Year“ betitelten ersten 2023er Gig im Keller des Leipziger Bandhauses kurzfristig absagen müssen. So kommen Cosmic Axe zu ihrem allerersten Auftritt überhaupt, der zwar pünktlich, aber gleich mal holprig beginnt, indem dem Soundmenschen niemand gesagt hat, daß es eigentlich mit einem Intro losgehen soll. Als die Datei dann gefunden ist, stellt sich heraus, daß das Ganze eine eher unmarkante und nicht unbedingt spannungserzeugende Geräuschkulisse darstellt. Zum Glück machen die sechs Eigenkompositionen des Quartetts, die dann erstmals außerhalb des Proberaums erklingen, deutlich mehr Laune. Die vier Kurzhaarigen spielen eine interessante Form des Death Metal, der die meist grunzenden, nur selten höher geshouteten Vocals des einen der beiden Gitarristen mit einer Gitarrenarbeit koppelt, die stärker im traditionellen Metal verwurzelt ist, freilich aber nicht so stark, daß man den Proberaum in Göteborg zu verorten geneigt wäre. Viel eher denkt man an Bands wie Furbowl, bisweilen auch an die alten Amorphis zu The Karelian Isthmus-Zeiten, freilich ohne deren folkigen Einschlag. Von wildem Geknüppel halten sich Cosmic Axe ebenso fern wie von etwaigen spacigen oder bekifften Passagen, die man anhand des vorderen Namensbestandteils vielleicht erwartet hätte. Zwei etwas flottere kurze Nummern sind unter den sechs dabei (Namen sind Schall und Rauch), überwiegend hält sich das Quartett aber in Midtempolagen auf und führt den Sound schon im Opener auch bis in relativ finstere Doom-Death-Gefilde, die dann den fünften Song komplett bestimmen, wobei die minimalistischen Mittel überwiegend geschickt eingesetzt werden, um trotz der geringen Geschwindigkeit den Spannungsbogen nicht abreißen zu lassen. Das King-Diamond-Leibchen des Bassisten (daß er der einzige exklusive Bediener dieses Instruments an diesem Abend ist, weiß zu diesem Zeitpunkt noch niemand) hinterläßt zumindest in der Livefassung indes keine Spuren im Sound der Band – ob das auf Konserve möglicherweise noch etwas anders gewichtet wird, kann man ab dem nächsten Monat anhand einer ersten Demoaufnahme nachprüfen. Nachdem in den ersten Songs die Gitarren noch ein wenig zu matschig herüberkommen, klärt sich die Lage bald, und so trägt auch ein guter Sound zum Gelingen des ersten Gigs von Cosmic Axe bei, der vom Auditorium, das sowieso einen bunt gemischten Abend in der Erwartungshaltung hat und daher auch mit dem gewissen Stilunterschied zu Ironbite umgehen kann, freundlich aufgenommen wird. Das Outro entfällt übrigens kurzerhand, statt dessen kommt als Umbaupausenmusik ziemliches Kontrastprogramm: erst irgendwelcher Raprock und dann zweimal Mötley Crüe. Trigger räumen die Bühne dann komplett um: Der Schlagzeuger sitzt links außen, der Saitenspieler ist ihm rechts gegenüber hinter einem Mikrofon plaziert, und die komplette Front bleibt als Aktionsradius für den Sänger übrig, den dieser weidlich nutzt und quasi permanent in Bewegung von links nach rechts und wieder zurück ist. Das Trio spielt Grindcore, und zwar ziemlich tempovariablen, der zwar überwiegend im Überschallgeknüppel lagert, aber auf der anderen Seite auch schlurfende Doompassagen und so mancherlei dazwischen auffährt. Der Saitenspieler holt dabei sowohl den Gitarren- als auch den Baßsound aus seinem Instrument, offenbar per Signalteilung, wobei letztgenannter, wenn man ihn mal solistisch hört, schön knorrig ausfällt, aber im Zusammenspiel eher in der Gesamtmasse untergeht. Der Sänger wechselt zwischen wildem Grundgebrüll und Gekreisch, der Saitenspieler steuert bisweilen eine weitere Shoutfarbe ein. Das Gros der Songs geht direkt ineinander über, und wohl nur Spezialisten könnten eine Setlist rekonstruieren, womit der die wenigen Ansagen haltende Saitenspieler auch kokettiert: „Wir spielen noch ein paar Lieder, die klingen wie alle anderen.“ Immerhin sind ein kurzer bluesiger Teil, der mit Hardcore-Gebell kombiniert wird und daher fast sludgeartig klingt, und einige Doomparts tatsächlich kurz vor der Grenze einer individuellen Anmutung und Wiedererkennbarkeit anzusiedeln, der Energietransport klappt natürlich auch tadellos, einige Enthusiasten versuchen irgendwie zu headbangen, und der Saitenspieler dankt dem Bandhaus als einem Ort der Begegnung, erweitert den Do-it-yourself-Gedanken auf „Do it together“ und fordert zu Engagement auf: „Fragt, wo ihr mithelfen könnt!“ Das Setende kommt etwas unklar, und der Soundmensch schaltet die Pausenmusik (diesmal Iron Maiden) bereits ein, aber der Saitenspieler insistiert: „Wir haben noch drei Songs“, die dann auch wieder als Block kommen und interessiert verfolgt werden, wenngleich der Applaus generell eher verwirrt anmutet. Mytherine spielen an diesem Abend ihren ersten Gig seit drei Jahren und tun das als Quartett aus einem Sänger, zwei Gitarristen und einem Drummer – der Baß kommt ebenso vom Band wie die Keyboards, die eine markante Rolle im selbstdefinierten Epic Death Metal der Formation einnehmen. Bis man sie allerdings durchhören kann, ist der halbe Set schon bald um, und die klangliche Einbindung des Basses gelingt bis auf wenige Momente, wo dieses Instrument mal in den akustischen Vordergrund tritt, leider gar nicht, so daß das Klangbild ein wenig fragmentiert wirkt. Das Schöne an diesem Abend ist, daß das nicht so sehr stört – zumindest nicht diejenigen Besucher, die die Berliner zum ersten Mal live erleben, und das wird das Gros der Anwesenden sein. Die interessanten Songstrukturen kann man auch so nachvollziehen, und für die Detailerschließung läßt sich ja gelegentlich eine Tonkonserve zu Rate ziehen – wenn es denn dann mal eine neue geben wird: Bisher existiert nur eine einzige Full-Length-Scheibe, Dawn Of A New Era betitelt und schon etliche Jahre alt, und von der stammen aus der Setlist lediglich „The Storm“ (das in einer Frühfassung auch schon auf dem 2013 eingespielten allerersten Demo stand) und „Ancient Path“, so daß wir also sechsmal neuen Stoff geboten bekommen, der an diesem Abend zumindest zu einem gewissen Teil seine Livepremiere erfährt. Wenn das stimmt, daß das Quartett kaum Zeit zum Proben hatte, spricht das für ein enormes technisches Können – einmal stellt sich einer der Gitarristen zwecks Feinabstimmung direkt zum Drummer, aber ansonsten kann der Nichtkenner keinerlei spielerische Probleme erkennen, jedenfalls nicht, als aus dem anfänglich etwas breiigen Gitarrensound etwa ab „As Light Fades“ deutlichere Strukturen und Melodiebögen hervortreten. Ob es Zufall ist, daß letztere vor allem in den beiden älteren Songs etwas schwedisch klingen, aber dabei nicht göteborgisch (man denke eher an Bands wie Dissection), daß diese Elemente in den neueren Songs aber nicht so markant hervortreten, muß sich bei passender Gelegenheit erweisen. Temposeitig zeigt sich die Band ziemlich variabel, legt den Opener „Ash’teroth“ eher in mittleren Lagen an, das folgende „Sinister God Rising“ aber deutlich flotter, schaltet in „Gorfirnod’s Curse“ aber auch in spannende Halbakustik zurück, während der Setcloser „Freezing Darkness“ trotz seines doomverheißenden Titels eher zur speedlastigen Sorte gehört. Was diese Truppe songwriterisch kann, zeigt das spannungserzeugende Break in letztgenanntem Song, das eben nicht in einen siegreichen Marsch Marke Amon Amarth ausbricht, mit dem man dort rechnet, sondern eher unerwartet in wildes Gebretter. Wohl bester Song ist aber „Lord Of Mountains“ mit seinem markanten Keyboardinterludium und seinem frenetischen Solo, rhythmisch teils sogar folklastig und insgesamt eher finnisch als schwedisch orientiert. Der Sänger verzichtet auf Klargesänge (solche werden nur mal als Chorelement eingesampelt) und artikuliert sich eher in herbem Shouting, aber auch bisweilen höher kreischend oder in den Grunzkeller hinabsteigend. Dazu kommt eine freundliche Publikumsnähe – die Stimmung ist prima, die Anfeuerungen sitzen paßgenau, und so bleiben Zugabeforderungen nicht aus. Die Probenzeit hat allerdings nur für diese acht Songs gereicht, also spielen Mytherine, nachdem sich ein Scherzbold im Publikum das komplette Programm da capo gewünscht hatte, zumindest zwei Songs nochmal, darunter als logische Wahl auch „Lord Of Mountains“. Sollte man im Auge behalten – zumal ein neuer Bassist unterm 2022er Christbaum lag, der zwar für diesen in der Gesamtbetrachtung daher ungewöhnlich bassistenarmen Gig noch nicht eingearbeitet werden konnte, was sich aber natürlich zeitnah ändern wird. Setlist Mytherine: Ash’teroth Sinister God Rising As Light Fades The Storm Ancient Path Lord Of Mountains Gorfirnod’s Curse Freezing Darkness Roland Ludwig |
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