Halvorsen, J. / Grieg, E. / Bull, O. (Hemsing)

Røta – Werke für Violine und Hardangerfiedel


Info
Musikrichtung: Romantik

VÖ: 05.02.2021

(Berlin Classics / Edel / CD / 2020 / Best. Nr. 0301692BC)

Gesamtspielzeit: 63:26

Internet:

Ragnhild Hemsing



MEHR ALS NUR GEFIEDEL

Durften wir die Norwegerin Ragnhild Hemsing zuletzt als Violinistin mit klassischem Repertoire erleben (MAS-Review), so ist ihr neues Album ihrer zweiten musikalischen Liebe und Heimat gewidmet: nämlich der Hardangerfiedel, auf der sie volkstümlich beeinflusste Kunstmusik aus der Phase der Nationalromantik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts darbietet. Corona und Lockdown haben allenthalben einen Trend zum Rückzug auf die heimatliche Scholle und eine mitunter unschöne Rückbesinnung auf das Nationale befördert. Insoweit scheint der Ansatz auf den ersten Blick im Trend zu liegen. Das Repertoire, das Hemsing ausgewählt hat, zeigt aber eben auch, dass es bei dieser Musik eher um die Fusion verschiedenster Einflüsse geht, so dass das Volkstümliche mit dem Elaborierten, das Sangliche mit dem Abstrakten, der Einfluss typisch nordischer Instrumente mit denen der europäischen Klassik verschmilzt. Insofern ist es schlüssig, dass Hemsing neben traditionellen Tanzsätzen auch nicht unbedingt explizit für die Hardangerfiedel – neben der Violine ihr zweites Virtuoseninstrument – zugeschnittene Werke ausgewählt, sondern Stücke von Grieg und Halvorsen hierfür durch Tormod Tvete Vik hat arrangieren lassen. Sie setzt damit gewissermaßen ein traditionelles Hin und Her fort, denn schon Edvard Grieg extrahierte beispielsweise einige seiner Klavierstücke aus volkstümlichen Melodien für diese Fiedel und viele norwegische Komponisten dürften den Klang der Hardangerfiedel als musikalische Prägung im Ohr und Hinterkopf gehabt haben, selbst wenn sie für andere Instrumente schrieben.

Die Hardangerfiedel übrigens zeichnet sich dadurch aus, dass sie zwar über neun Saiten verfügt, von denen aber nur vier wie bei einer Geige gespielt/gestrichen werden, während die anderen als eigens zu stimmende Resonanzsaiten mitschwingen. Was entsteht ist ein etwas angerauter Ton, den man auf Anhieb mit dem Aufspielen zum Tanz in Verbindung bringen wird. Und das war in der Tat eine der typischen Einsatzformen dieses allein in Südnorwegen verbreiteten Instruments, die hier auch schön mit unterschiedlichsten Tanzrhythmen in Szene gesetzt wird.

Ragnhild Hemsing zeigt jedoch vor allem, dass diese Fiedel mehr vermag: Nämlich auch zauberisch-verträumte Stimmungen zu evozieren, marschartig aufzutrumpfen oder virtuos zu tönen. Da sie zudem Violine und Fiedel abwechselnd verwendet, Kunsmusik und Volksmusik bruchlos ineinanderfließen und manche der Stücke zusätzlich mit einer Begleitung durch das Cello und/oder Klavier angereichert sind, ergibt sich ganz entspannt ein höchst abwechslungsreiches, auf sympathische Weise persönliches Album, dessen Grundfärbung mal von skandinavischer Melancholie, mal von sommerlicher Heiterkeit und Ironie geprägt ist und mit dem man sich gerne in eine nordische Landschaft hineinträumt. Trolle inklusive.



Sven Kerkhoff



Trackliste
Händel / Halvorsen: Passacaglia
Halvorsen: Norwegian Dance Nr. 2; The Song of Veslemoy; Elegie; Entry March of the Boyars; Sarabande con Variazoni
Grieg: At the Marching Game; 2.-4. Satz aus der Lyrischen Suite op. 54; Lyrisches Stück op. 12 Nr. 6
Traditional: The Wedding March of Myllarguten; Bjollelatten; Kjeringe i Snodrevet; Gamal Bonde
Bull: Le Melancolie; Nocturne
Besetzung

Ragnhild Hemsing: Violine & Hardangerfiedel

Mario Häring: Klavier
Benedict Kloeckner: Cello



 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>