Der Jimi hat den Schnaps gemacht: Die Dietmar & Klaus Bluesband spielt zum Jahresausklang im Jenaer Kulturbahnhof weit mehr als nur Hendrix




Info
Künstler: Dietmar & Klaus Bluesband

Zeit: 29.12.2018

Ort: Jena, Kulturbahnhof

Fotograf: Dietmar & Klaus Bluesband

Internet:
http://www.cosmic-dawn.de
dietmarundklaus.wordpress.com

Dietmar Klaus ist in Ostthüringen und Westsachsen als Biologe in entsprechenden Kreisen durchaus nicht unbekannt – mit der Namensgebung der Dietmar & Klaus Bluesband hat er aber, zumindest soweit dem Rezensenten bekannt, nichts zu tun, ebensowenig wie andere Menschen vornamens Dietmar oder Klaus: Das hier aktive Quartett hat sich den kleinen Scherz erlaubt, als Kollektiv andere Namen zu verwenden als die der vier mitspielenden Menschen, und im Kontext mit einer völlig abstrusen, auf der Homepage nachzulesenden frühen Bandbiographie entsteht der Eindruck, dass die Musiker definitiv Humor haben müssen. Dieser Eindruck bestätigt sich während des Konzertes zwei Tage vor Silvester im Jenaer Kulturbahnhof dann auch.
Das soll freilich nicht bedeuten, das Quartett würde seine Musik nicht ernst nehmen. Obwohl sie ihre Gründung selbst als „Schnapsidee“ bezeichnen, auch noch in anderen Kontexten musizieren und nur gelegentlich mal in der Konstellation dieses Abends (sowie diverser vor- und nachgelagerter in anderen Städten ihrer thüringischen Heimat) aktiv sind, machen sie doch über weiteste Strecken einen souveränen und eingespielten Eindruck – und wenn sich die Notwendigkeit für spontane Improvisationen ergibt, dann liegt das z.B. daran, dass Gitarrist/Sänger Rudi vor diesem Gig ein anderes Kraut geraucht hat als am Vortag und bestimmte Phrasen dann beispielsweise einen Takt länger ausfallen. Das macht freilich nichts – alle Beteiligten sind spielsicher und souverän genug, um auch solche Situationen zu meistern, und da keine Samples im Hintergrund mitlaufen, lauern auch in technologischer Hinsicht diesbezüglich keine Fallstricke. Ob der eine oder andere Einfall so geplant oder spontan zustandegekommen war, bleibt also in den meisten Fällen diffus, aber das kann dem geneigten Anhänger ja auch egal sein. In manchen Fällen hülfe vielleicht die Kenntnis der Originale: Die Setlist setzt sich ungefähr hälftig aus Eigenkompositionen und Coverversionen zusammen („Black Dog“ ist übrigens kein Led-Zeppelin-Cover – oder wenn doch, dann ein äußerst dekonstruktivistisch angelegtes ...), wobei die Eigenkompositionen außer von Rudi auch von Drummer Mark oder von Mundharmonikaspieler und Teilzeitzweitgitarrist Josa stammen, aber keineswegs zwingend für den Kontext der Dietmar & Klaus Bluesband entstanden sind, sondern gewissermaßen in diesen „hineingewachsen“ sind. Eine derselben, „Blue Flowers“, fällt auch stilistisch am weitesten aus dem Rahmen. Mit den mehrstimmigen Vokalarrangements tendiert das Quartett hier etwas in Richtung Crosby Stills Nash & Young, wenngleich mit einer Stimme weniger – Bassist Harald hat kein Gesangsmikrofon vor sich stehen, die Gesangslinien bleiben also maximal dreistimmig, wobei sich die drei Sänger durchaus markant voneinander unterscheiden: Mark besitzt eine hohe Klarstimme, die ihn auch für eine Neoprogband qualifizieren würde, während Josa etwas angerauht agiert (und natürlich nur dann singen kann, wenn er gerade nicht seiner Hauptbeschäftigung als Mundharmonikaspieler nachgeht) und Rudi irgendwo zwischen diesen beiden Polen liegt. Die Vielfalt spiegelt sich übrigens auch optisch wider: Josa stellt den ganz normalen unauffälligen Typen von nebenan dar, Mark würde man in eine Progmetaltruppe stecken, Rudi mit seiner Mütze (und der fehlenden Haarpracht) in eine NuMetal-Combo, und Harald befindet sich irgendwo auf halbem Wege zwischen seinem Nightwish-Instrumentenkollegen Marko Hietala und dem Weihnachtsmann.
Diese vier Herren spielen nun, wie der Name in diesem Fall mal ohne Geflunker preisgibt, Blues – aber im ersten der beiden Sets dieses Abends tun sie das mit derartiger Kernigkeit, dass man sie ins Bluesrockfach einzusortieren geneigt ist. Zudem halten sie das Tempo in den meisten Songs dieses Sets in für Bluesverhältnisse ungewöhnlich hohem Bereich, und als sie es dann doch markant nach unten schrauben, entpuppt sich der über klassischen Bluesschemata aufgebaute Song als Improvisation, der mit schrägen Lyrics des Drummers die Pause ankündigt – bevor dann aber umdisponiert und mit „Betty Mae“ doch noch ein „richtiger“ Song vor der Pause gespielt wird. Richtig bluesschleichend geht das Quartett dann erst wieder im Mittelteil des zweiten Sets zu Werke, auch dort aber nur temporär und zudem den Humor des Publikums herausfordernd, aus dem dann beispielsweise eine Aufforderung wie „Ey, nich einschlafen jetz!“ kommt – der gegenseitige Schabernack hat offensichtlich Methode, sowohl auf der Bühne als auch in der Interaktion zwischen Band und Publikum. Trotzdem sei noch einmal ins Gedächtnis gerufen: Das Quartett nimmt seine Musik sehr ernst, welcher Herkunft sie auch immer sei, und auch das weiß das Publikum natürlich zu würdigen, zumal Soundmann Thomas wieder ein sehr gutes Klangbild zaubert und nur an einigen wenigen Stellen, beispielsweise in „Voodoo Chile“, Rudis Gitarre seinen Leadgesang einen Tick zu sehr übertönt. Aber gerade die Mundharmonika, durchaus ja ein Kandidat für gepflegtes Übertöntwerden, hört man an diesem Abend fast durchgängig sehr gut und kann so auch Josas ausgedehnte Soloausflüge und die Duette mit Rudis Gitarre eindrucksvoll nachvollziehen. Da wird noch richtig gearbeitet auf der Bühne, und das ist aller Ehren wert und findet auch seine Anhänger – der Publikumsaltersdurchschnitt liegt an diesem Abend für Bluesverhältnisse jedenfalls ausgesprochen niedrig, obwohl auch noch Ferien sind und ein Teil des studentischen Kulturbahnhof-Publikums vermutlich in heimatlichen Gefilden und nicht in Jena weilt. Trotz dieser und der Tatsache, dass Blues und Bluesrock klassischer Prägung im Kulturbahnhof eher seltene Gäste sind, darf sich die Crew zum Jahresabschluß doch über einen zwar nicht über-, aber doch recht gut gefüllten Saal mit vermutlich einer ganzen Menge an „Erstbesuchern“ freuen, von denen so mancher sicherlich zum Wiederholungsbesucher mutieren wird. Platz zum Tanzbeinschwingen bleibt auch, und wenn man das zu kompetent dargebotenen Hendrix-Klassikern tun kann, dann tut man das natürlich auch gerne, wobei in der Reihe hinter dem Rezensenten zwei Headbanger stehen, die andere Bewegungsmuster präferieren und doch ins bunte Rund des Abends passen. Zwei Zugaben erklatscht sich das begeisterte Publikum noch, wobei Mark in der ersten Hälfte des finalen „Limit To Your Love“ seinen Platz hinter dem Drumkit aufgibt, die Anwesenden auffordert, den Grundrhythmus klatschend darzubieten, und selbst statt dessen die beiden Frontmikrofone mit okkupiert. Gelungener Abend!



Setlist:
Every Day I Have The Blues
Little Redflamed Kitchen
Johnny V
Room To Move
You Better Come On Into My Kitchen
Dust My Broom
Blue Flowers
Betty Mae
--
Frenchman Street
All Along The Watchtower
Paperwalls
You Can Love Yourself
Perpetual Blues Machine
Little Wing
Black Dog
My Friend
--
Voodoo Chile
Limit To Your Love


Roland Ludwig



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