Musik an sich


Reviews
Bob Dylan

Tempest


Info
Musikrichtung: Songwriter

VÖ: 07.09.2012

(Columbia / Sony)

Gesamtspielzeit: 68:33

Internet:

http://www.bobdylan.com


„Frauen werden im Alter alt; Männer interessant.“ ist ein Bonmot, das in der Anti-Brüderle-Ära wahrscheinlich als frauenfeindlich gilt. Lassen wir die Frauen-Hälfte also mal weg und begeben wir uns zur neusten Dylan-Scheibe, die vor allem eins deutlich macht. Alt geworden ist der ewige Grantler nicht. His Bobness kommt eher fetter als jemals zuvor. Von seinen Folk-Wurzeln ist hier kaum etwas zu spüren. Hier kommt der Songwriter par excellence zu Wort, der seine Message, da wo es ihm Sinn zu machen scheint, mit dem Druck einer gestanden Rock-Band in die Welt bringt. Wenn es denn mal etwas weniger urban sein soll, greift Dylan nicht auf seine erste Liebe, den Folk, sondern später entdeckte Country-Elemente zurück, die auf Tempest aber bestenfalls die dritte Geige spielen.

Auch wenn Dylan sich auf einen Akkord verlässt, zu dem er, ihn ständig repetierend, seine Geschichte erzählt, gelingt es ihm den Hörer von Anfang an zu packen. Besonders schön ist das bei dem stoischen, von einem Power Groove getragenen „Narrow Way“ zu beobachten. Wenn es, wie im Titelstück, allerdings an die Viertelstunden herangeht, wäre es gut, wenn man dem Text folgen kann.

Dazu gibt die Ausstattung der CD leider nicht die geringste Hilfestellung. Und hier hat auch die stärkste Kritik an dieser Veröffentlichung anzusetzen. Sony liefert, schon fast Major-typisch, wieder einmal eine perfekte Argumentationshilfe für jeden Schwarzbrenner. Die Lyrics gibt es selbstverständlich nicht. Und auch sonst kaum etwas. Das vierseitige Booklet liefert außer Tracklist (ohne Laufzeiten) und Line Up nur die rudimentärsten Credits. Das Ganze wirkt wie die lieblose Grabbeltisch-Vermarktung einer Oldie-Sammlung, bei dem die Veröffentlichungsrechte schon lange abgelaufen sind, aber nicht wie die Präsentation eines neuen Albums DES Songwriters schlechthin. Peinlich!

Besänftigen wir uns also mit der Musik. Fast durchgehend kann man sagen, dass die ungeraden Tracknummern eher kraftvoll zu Werke gehen, während es die geraden ruhig angehen lassen. Da fällt eigentlich nur der Titeltrack aus dem Rahmen.
Highlights bei den ruhigen Nummern ist das weiche „Scarlet Town“ mit seiner Streicherbegleitung und der sanft rollende Schlusssong, bei dem man sich gut vorstellen kann, dass ein alter Mann im Hafen am Deck seines Bootes sitzt und in der leichten Dünnung seine Gedanken in die Vergangenheit wandern lässt.
Auf dieser Wanderung in die Vergangenheit befindet sich Dylan ganz dezidiert mit der groovende Vintage Nummer „Duquesne Whistle“, der mit seinem im Ohr hängen bleibenden Refrain eigentlich für einen Singlehit gut sein sollte. Ähnliches gilt für den drückenden Groover „Pay in Blood“ mit der wehrhaften Hookline „I pay in Blood but not in my own“.

Mit den oft sehr kargen frühen Scheiben Dylans hat Tempest nichts und sehr viel zugleich zu tun. Der bereits erwähnte Verzicht auf sonderliche Entwicklungen in den einzelnen Songs rückt sie nahe aneinander heran. Die Musik ist nicht die Geschichte, sondern die Bühne, auf der Dylan die Geschichte erzählt. Aber während es zu Beginn seiner Karriere im übertragenen Sinn nur das Bettlaken hinter der Bühne gab, auf die mit wenigen Stichen die Szenerie skizziert wurde, agiert Dylan heute auf einer Bühne, die in der Regel opulent und mit starken Farben gestaltet ist.

Eine starke Scheibe, die so frisch ist, dass es eher schräg klingt, wenn man sie als gelungenes Alterswerk bezeichnen würde.



Norbert von Fransecky



Trackliste
1Duquesne Whistle 5:43
2 Soon after Midnight 3:28
3 Narrow Way 7:28
4 Long and wasted Years 3:47
5 Pay in Blood 5:10
6 Scarlet Town 7:17
7 Early roman Kings 5:14
8 Tin Angel 9:06
9 Tempest13:54
10 Roll on John 7:27
Besetzung

Bob Dylan (Git, Piano, Voc)
Tony Granie (B)
George G. Receli (Dr)
Donnie Herron (Steel Git, Banjo, Violine, Mandoline)
Charlie Sexton (Git)
Stu Kimball (Git)
David Hidalgo (Git, Akkordeon, Violine)


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