Sting My Songs – der Brite gibt in Nürnberg einen wunderbaren „Best Of“-Reigen zum Besten
Sting ist am Nikolaustag mit seiner Tour „Sting My Songs“ in der Weihnachts- und Lebkuchenstadt Nürnberg zu Gast. Als besonderes Weihnachtsgeschenk hat er als Vorband seinen ältesten Sohn Joe Sumner mit dabei, der sein neues Album Sunshine In The Night promotet. Die Arena ist ziemlich ausverkauft, mir fallen keine leeren Sitzplätze im weiten Rund der Halle auf. Und der Stehplatzbereich ist sehr gut gefüllt, aber nicht vollgestopft. Am Merchandising-Stand herrscht indes gähnende Leere. Ich sehe vor dem Konzert niemand, der irgendetwas dort kauft. Das liegt wohl an den gesalzenen Preisen. Ein Shirt gibt’s für 40 Euro, eine Jutetasche bedruckt mit dem Sting-Logo für 30 Euro! Da bleiben einem die „drei im Weggla“ (drei Bratwürste in der Semmel für die Nichtfranken) selbst dann im Hals stecken, wenn man noch ein Bier zum Nachspülen hätte! Joe Sumner kommt ziemlich früh auf die Bühne und hat lediglich eine Gitarre dabei. Seine Songs funktionieren aber auch so, einen Rhythmus spielt er mit einem Drum-Computer ein. Stimmlich und optisch ist er seinem Vater sehr ähnlich. Auch er kann einige recht beeindruckende Dinge mit seiner hohen Stimme anfangen, die manchmal in meinen Ohren jedoch ein wenig grenzwertig und schief klingen. In bester Singer/Songwriter-Manier präsentiert er mit viel Leidenschaft seine Songs. Das Nürnberger Publikum begleitet ihn dabei bereits recht enthusiastisch. Die Stücke klingen gut, bleiben mir aber nicht in meinen Gehörgängen haften. Er erfüllt seinen Anheizer-Job mehr als nur gut und bekommt verdientermaßen Applaus. Etwa 20 Minuten später kommt dann derjenige, auf den die ganze Halle sehnlichst gewartet hat – Sting! Ohne großes Intro, Showeinlage oder ähnliches betritt er lediglich begleitet durch seine Band die Bühne. Alter, was ist das? Diese Frage kann man sich stellen, wenn man den Musiker sieht. Muskulös, beweglich und die Stimme ist immer noch voll da. Lediglich im Gesicht sieht man ihm seine 72 Jahre mittlerweile an. Mit einer unnachahmlichen Bühnenpräsenz startet der Police-Song „Message In A Bottle“ das Hitfeuerwerk. Ob es die Lebkuchen, die Bratwürste oder das gute Nürnberger Bier sind: Das Publikum braucht nicht lange, um warm zu werden. Als dann gleich im Anschluss der Riesenhit „Englishman In New York“ vom Stapel gelassen wird, ist die Nikolausparty bereits jetzt in vollem Gange. Sting und seine agilen Musiker nehmen viel Kontakt zum Publikum auf und animieren es zum Mitmachen. Dadurch wird erfreulicherweise nicht ständig mitgefilmt. Die meisten Fans tanzen und feiern stattdessen in der Arena und genießen den Auftritt. Die Liedauswahl macht es leicht, den Tanzfaktor auf hohem Niveau zu halten. Vor allem bei den Police-Stücken ist viel los. Sting ist nicht nur ein Klasse-Sänger, sondern ein sehr versierter Bassist. Ihn beim Spielen zu beobachten, ist für jeden Musiker interessant. Viele Stücke sind geradezu durch sein Spiel geprägt. Er hat sich eine sehr virtuose Backing-Band zusammengestellt, die mit großem Spaß bei der Sache ist. Sting hält seine junge Band nicht nur als Statisten im Hintergrund, sondern gibt ihr genügend Raum, um selbst zu glänzen. Es gibt ein Mundharmonika-Solo, coole Gesangseinlagen und ein kleines Schlagzeugsolo. Alle werden von ihm einzeln vorgestellt und entsprechend in Szene gesetzt. Trotzdem ist klar: Sting ist der Dreh- und Angelpunkt der Show. Sein Headset erlaubt ihm große Bewegungsfreiheit. Er nutzt diese Möglichkeit und beackert die Bühne in ihrer ganzen Breite. Ansagen gibt es fast keine, die Lieder werden Schlag auf Schlag rausgepfeffert. Im Hintergrund der Bühne sind dezente Videoeinspielungen zu sehen. Auf beiden Bühnenseiten gibt es Leinwände, die das Geschehen auf der Bühne für alle sichtbar machen. Der Sound ist grandios, alles hört man glasklar heraus und selbst ich brauche keine Ohrenstöpsel. Highlights sind natürlich auch die leisen Stücke. Dazu zählen für mich das irisch angehauchte „Fields Of Gold“ oder das mit einem bärenstarken Mundharmonika-Solo ausgestattete „Shape Of My Heart“, die beide für Gänsehautfeeling sorgen. Bei „Shape Of My Heart“ liefert er sich mit seinem Background-Sänger ein eindrucksvolles Gesangsduell, was für tosenden Applaus sorgt. Der Partyfaktor wird mit den Police-Stücken wieder deutlich nach oben geschraubt. „Walking On The Moon“ und natürlich das unverwüstliche „So Lonely“ sorgen für viel Bewegung. „Desert Rose“ bringt einen orientalischen Touch in die Arena. Hier klatschen alle mit, das ganze steigert sich zu einem ekstatischen musikalischen Wüstensturm. „Every Breath You Take“ lädt alle zum gemeinsamen Luftholen ein, bevor der offizielle Teil auch schon zu Ende geht. Hinter mir steht ein spanisch sprechendes Pärchen, das mir seit ein paar Songs schon die Ohren vollbrüllt. Sie wollen offensichtlich „Roxanne“ hören, was sie ziemlich stimmgewaltig in Richtung Bühne kundtun. Der Mann flippt fast aus, als dann tatsächlich mit „Roxanne“ der Zugabenteil beginnt. Um einiges langsamer als auf der Studioversion und etwas tiefer gesungen wird an alte Police-Zeiten erinnert. Ein Zwischenteil mit Bob Marleys „No Woman No Cry“ sorgt für Heiterkeit, um dann wieder auf das eigentliche Stück überzuleiten. „Fragile“ wird das letzte Stück des Abends. Hier tauscht Sting seinen abgewetzten Bass gegen eine Akustikgitarre, die er im Sitzen spielt. Hier singen alle kollektiv mit und lassen das Konzert stimmgewaltig ausklingen. Sting bedankt sich beim hervorragenden Publikum und geht sichtlich erfreut von der Bühne. Als das Licht angeht, schaut man in lauter fröhliche, zufriedene Gesichter. Nach fast zwei Stunden bester musikalischer Unterhaltung gibt es auch keinen Grund, schlecht gelaunt zu sein. In dieser Form kann Sting gerne noch lange Konzerte geben! Setlist: Message in a Bottle Englishman in New York Every Little Thing She Does Is Magic If You Love Somebody Set Them Free Spirits in the Material World The Hounds of Winter If I Ever Lose My Faith in You Fields of Gold Brand New Day Heavy Cloud No Rain Shape of My Heart Why Should I Cry for You? All This Time A Thousand Years Walking on the Moon So Lonely Desert Rose King of Pain Every Breath You Take --- Roxanne Fragile Stefan Graßl |
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