Raven
Metal City
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Anno 2017 hatte der langjährige Raven-Schlagzeuger Joe Hasselvander aufgrund von Herzproblemen diverse Gigs absagen müssen und legte die Sticks schließlich ganz weg. Besagte Gigs, darunter auch den vom Rezensenten erlebten am 13.6.2017 in Dresden, bestritten die Gallagher-Brüder dann mit verschiedenen Gastschlagzeugern, und seit Sommer besagten Jahres ist Mike Heller nun fest auf dem Drumsessel verankert, also nicht Dave Chedrick, der den beiden alten Herren in Dresden einen Extra-Punch verpaßt und diese sozusagen in einen Jungbrunnen gestoßen hatte.
Schon der „The Power“ betitelte Opener von Metal City, dem ersten Raven-Studioalbum mit Heller, macht allerdings klar, dass er nicht nur diesen Titel zu Recht trägt, sondern der „Jungspund“ (der freilich zum Zeitpunkt der Aufnahmen auch schon auf die 40 zuging) die gleiche Handlung vollführt haben muß: Raven sprinten durch die Nummer, als gäbe es kein Morgen, die Gallaghers liefern sich gar ein frenetisches Gitarre-Baß-Soloduell, und John singt zwar das Gros der Linien etwas tiefer, als er das zu Zeiten der Geburt Hellers, als Raven gerade ihre ersten Alben herausbrachten, tat, baut aber auch ein paar spitze Höhen ein, die freilich so gut eingepaßt sind, dass keiner die Vermutung ins Rund werfen sollte, das sei nur ein Selbstzweck zur „Ich kann das noch“-Demonstration. „Top Of The Mountain“ bleibt temposeitig nur wenig unter dem Opener, integriert aber einen etwas abgebremsten, dafür aber hochgradig eingängigen Refrain, der diese Nummer zum Hit der Platte macht – aber dann kommt da noch eine Überraschung im Finale: Heller baut einen kurzen Blastspeed-Part ein, und kaum hat man sich von dieser Überraschung erholt (ja, Raven sind geschwindigkeitsverliebt, aber in dieser Weise hätte man das nun durchaus nicht erwartet) und beginnt zu grübeln, ob das hier unbedingt sein mußte, kommt „Human Race“, in dem die Blasts neben einer großen zentralen Herunterschaltung in epische Gefilde nunmehr eine strukturdeterminierende Wirkung entfalten. Und es paßt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge, sofern man nicht gerade der Meinung „Alles, was nach 1982 kam, taugt nix“ anhängt. Die Idee dürfte maßgeblich auf den schlagwerkenden Neuzugang zurückgehen, der sonst in deutlich härteren Gefilden unterwegs ist, früher mal bei der Combo mit dem einprägsamen Namen Success Will Write Apocalypse Across The Sky (versucht diesen Namen oder das Akronym SWWAATS mal vor der Bühne anfeuernd zu rufen ...) trommelte und aktuell auch noch bei Fear Factory hinterm Kit hockt. Und man staunt die sprichwörtlichen Bauklötze, wie gut die neue Frische Raven steht – der Enthusiasmus sprüht förmlich aus jeder Note und führt die Band auch anderweitig auf bisher eher selten beackertes Territorium: „Battlescarred“ arbeitet zwar mit wohlbekannten Textbausteinen der Marke „All for one and one for all“, treibt die Band aber in strukturell fast progressiv zu nennende Gefilde, jedenfalls in für Raven-Verhältnisse ungewöhnliche Komplexität, die freilich immer wieder mit griffigen Parts songdienlich gestaltet wird. Dazwischen steht noch der Titeltrack „Metal City“, eine eher melodische Nummer, in deren Hauptteil Mark Riffs zockt, die eher wie ein Re-Import von Neunziger-Göteborgdeath anmuten, freilich nie verkennend, wer hier das Original ist.
Damit endet eine bärenstarke A-Seite, der die B-Seite nur unwesentlich nachsteht, auch wenn sie im wesentlichen „nur“ Althergebrachtes bietet, das aber in exzellenter Qualität und abermals mit dieser unbändigen jugendlichen Frische. Kleine Überraschungen gibt es aber auch hier, so gleich in „Cybertron“ mit einer Bridge, die ein wenig wie eine metallisierte Version von The Sweet anmutet, während „Motorheadin‘“ bewußt als Tribut an Lemmy und seine Gang konzipiert ist, in weniger als drei Minuten zum Ziel kommt und tatsächlich ein Musterbeispiel abgibt, wenn ein Außerirdischer landet und wissen möchte, wie es klingt, wenn Raven einen Song im Stil von Motörhead, aber mit ihren ureigenen Merkmalen schreiben würden. Generell fällt auf Metal City übrigens auf, dass die Songs fast alle eine sehr übersichtliche Spielzeit besitzen (nur zwei der zehn erreichen die Vierminutengrenze), aber zumindest partiell deutlich länger wirken, was eine gelungenes Kombinieren von Kompaktheit und Anspruch diagnostizieren läßt. Daß eine gute, aber unauffällige Nummer wie „Not So Easy“ hier das untere Ende der Qualitätsskala markiert, spricht Bände – und dass Raven selber wissen, wie sie das besser können, zeigen sie gleich danach mit „Break“, wo nicht nur Heller wieder mehr Druck macht, sondern auch die Riffs etwas raumgreifender angelegt sind und die Stimmung bisweilen ein wenig an den oft unterschätzten Albumklassiker Architect Of Fear erinnert. Mit „When Worlds Collide“ schließt ein sechsminütiges Epos die Scheibe ab, das die besagte Stimmung gleich nochmal transportiert und auch dem letzten Zweifler klarmacht, dass mit Raven in dieser Form noch lange zu rechnen sein dürfte und dass das eine definitiv gute Nachricht darstellt. Daß sich das Trio in der Gestaltung diesmal im Comic-Stil als Superhelden darstellt (Slogan „The wildest band in the world!“), ist also keinesfalls eine Selbstüberschätzung, sondern der eigenen Form durchaus angemessen, und dem Gütesiegel „Approved by Metal Maniacs everywhere“ samt dem Störer „100% Kick Ass“ ist in der Tat nahezu uneingeschränkt zuzustimmen. Das besagte Konzept geht übrigens auch auf den trommelnden Neuzugang zurück. Daß die Platte aufgrund der geschilderten Kompaktheit mit knapp 39 Minuten für heutige Verhältnisse eher kurz ausfällt – geschenkt: Lieber 39 Minuten feinste metallische Unterhaltung als 60 Minuten Langeweile.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | The Power | 3:55 |
2 | Top Of The Mountain | 3:36 |
3 | Human Race | 3:59 |
4 | Metal City | 3:27 |
5 | Battlescarred | 4:45 |
6 | Cybertron | 3:24 |
7 | Motorheadin’ | 2:42 |
8 | Not So Easy | 3:09 |
9 | Break | 3:39 |
10 | When Worlds Collide | 6:15 |
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Besetzung |
John Gallagher (Voc, B)
Mark Gallagher (Git, Voc)
Mike Heller (Dr)
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