Joost Lijbaart
Free
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Der niederländische Jazz-Schlagzeuger Joost Lijbaart, Jahrgang 1967, studierte klassisches Schlagzeug und erweiterte sein Wissen auch durch die Beschäftigung mit afrikanischer Perkussion anlässlich eines Aufenthalts im Senegal. Neben dem Jazz war der Protagonist auch im Bereich der Neuen Musik aktiv.
Einigen Jazzern wahrscheinlich auch bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Yuri Honing, Nicolas Thys und Michiel Borstlap, kam es 1996 zur Gründung einer eigenen Band, White Horse. Zwischenzeitlich in verschiedenen Formationen aktiv, widmete er sich verschiedenen musikalischen Formen und entschloss sich schließlich zu diesem ungewöhnlichen Album, Free. Frei - warum? Nun, vielleicht, weil er sich frei und ungezwungen ausleben konnte, ohne auf irgend Jemanden hören zu müssen und Rücksicht zu nehmen, denn Free ist ein Solo-Album!
Da muss ich erst einmal überlegen. Welches Album, nur Schlagzeug solo, kenne ich? Max Roach - "Drums Unlimited", das war nur etwa zur Hälfte solo, Jon Hiseman - "Ganz Schön Heiss, Man!", das waren zwar Solo-Vorführungen, die jedoch aus kompletten Songs herausgeschnitten waren. Doch, eines fällt mir doch noch ein, "Solos" von Max Roach. Jedoch kenne ich die Platte nur ansatzweise und sie ist leider auch nicht erhältlich. Und der berühmte Drummer Jo Jones kommt mir noch in den Sinn mit seiner Platte "The Drums", wo er verschiedene Spieltechniken und die Spielweise verschiedener Kollegen demonstriert. Insofern kann ich doch noch zu Free sicher den einen oder anderen Vergleich ziehen.
Wie der Protagonist in den Liner Notes schreibt, hatte er ein solches Album bereits immer aufzunehmen beabsichtigt, aber ein bisschen ängstlich sei er davor auch gewesen. Nun, ein Blick auf die verwendeten Instrumente und bereits die ersten Klänge lassen schließlich gar keinen Vergleich zu den oben genannten übrigen Solowerken zu. Denn während jene sich ausschliesslich dem Jazz-Drumming widmen, hat Lijbaart das Umfeld des reinen Schlagzeugs doch wesentlich erweitert. Allen Harmonium, Flöte und Vibrafon lassen auf eine völlig andere Richtung schließen.
Und so ist es dann auch. Obwohl solo eingespielt, meint man schon bei "Strangers From The Sky" eine Band zu hören. Und die erzeugte Stimmung berührt enorm. Eine äußerst meditative Stimmung mit Klangtropfen des Vibrafons inklusive schwebt durch die knapp sechseinhalb minütige Spielzeit und bereitet ein Gefühl zufriedener Stille. Erst bei "Velocity" swingt die Stimmung in Richtung Jazz durch die antreibenden Beckenschläge. Ausgefüllt wird diese Atmosphäre wiederum durch allerlei auf- und abschwellende Klänge, ich höre das Harmonium und da klingeln feine Glöckchen. Schon jetzt kann ich nicht umhin, zu behaupten, dass dieser Ansatz der Platte gelungen ist.
Zwischen den treibenden und zischenden Becken und den dumpfen Klängen verschiedener Trommeln geschieht etwas, das sehr viel Magie inne hat, eine großartige breite sphärische Fläche, Soundscapes für imaginäre Filme und sei es das Kopfkino. Die einzelnen Titel haben verschiedene Bezüge, sei es zur Natur ("Talking Trees", "Twinkling Night") oder, ganz aktuell, auch zur Situation durch die Bedrohung durch Covid 19. "Corona Spiritual" hierzu der Beitrag, zu dem sich der Musiker innerhalb eines Interviews entsprechend äußerte, dass er durch eine verhinderte Tournee Zeit für eine innere Einkehr gehabt habe und diese "Reflexionen und die Stille den Blick nach innen ermöglicht hätten".
"Half Moon" ist sehr afrikanisch ausgerichtet, "Twinkling Night" mit 1:37 Minuten Spieldauer, gleicht einem Sternschnuppenschauer, der behende auf die Erde rieselt, "Manhood", wiederum durch den Sound des Harmoniums geprägt, mit seinem drohnenhaften Effekt, lässt die Becken zart solieren und gestalten, "Talking Trees" versetzt mich tatsächlich in einen Wald, einen Urwald, ich höre die verschiedenen Tiere, das ist wie in der Eingangssequenz zu "Afternoon Of A Georgia Faun" von Marion Brown. Ein Rascheln, dunkle Flötentöne wie von einem unheimlichen Vogel und ein dumpfes Trommeln, umgarnt von scheppernden Geräuschen, so wirkt "Saman" sehr geheimnisvoll.
Schliesslich ist es Lijbaart gelungen, seine verschiedenen Instrumente wie Pinsel zu benutzen, die von einer bunten Palette verschiedene Farben unter Zuhilfenahme verschiedener Maltechniken ein Bild lebendigen Ausdrucks geschaffen haben. Und so ist Free keine typische Solo-Platte eines Jazz-Schlagzeugers geworden, sondern kann sich schon eher mit Produktionen von Stephan Micus messen. Jedenfalls höre ich Musik zur inneren Einkehr, meditative Stille umhüllt mich....
Wolfgang Giese
Trackliste |
1 Strangers from the sky (6:26)
2 Velocity (3:45)
3 Corona spiritual (3:58)
4 Half moon (5:11)
5 Twinkling night (1:37)
6 Dreamtime (5:22)
7 Manhood (4:21)
8 Talking trees (1:35)
9 Niaga (1:51)
10 Saman (3:48)
11 Interstellar (3:16)
12 Solitude (1:25)
13 Free (5:17)
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Besetzung |
Joost Lijbaart (drums, gongs, cymbals, bells, hand percussion, harmonium, glockenspiel, balafon, vibraphone, Odaiko drums, Shaman drums & flute)
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