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Leichen pflastern derzeit meinen Weg, Leichen dahin gegangener Plattenläden. War es in der letzten Ausgabe der Vinyl-Laden Can in Hannover, trifft es dieses Mal Stern-CD in Berlin, eine Geschäftsidee, die mittlerweile völlig das Zeitliche gesegnet hat. Aber dazu später.
Dass es überhaupt zu dieser Wahl gekommen ist, liegt an Ereignissen der Gegenwart. Üblicherweise sind es zwei primäre und zwei sekundäre Kriterien, die darüber entscheiden, welche CD zur Grundlage meiner monatlichen Kolumne wird. Conditiones sine qua non sind: a) Es muss eine CD sein, die ich exakt 25 Jahre vor dem Monat bekommen habe, in dem die Kolumne erscheint, und b) mir muss ein Inhalt für die Kolumne einfallen, der in irgendeiner Weise mit der CD verbunden ist. Das hätten für den September 1989 zum Beispiel Marius Müller-Westernhagens Meisterstück Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz sein können, oder Sweet Freedom, das – wie ich kürzlich zu meiner Überraschung irgendwo gelesen habe – meistverkaufte Album von Uriah Heep.
Und es sind dieses Mal auch nicht die beiden sekundären Kriterien (nach Möglichkeit ein zum Zeitpunkt des Kaufes aktuelles Album / ein Album von herausragender Bedeutung für mich oder die Welt), die mich zu einer anderen Entscheidung bewogen haben. Es musste dieses Mal ein Album sein, das ich finden(!) konnte. Hintergrund ist die grundlegende Sanierung meines Arbeitszimmers (icl. neuem Estrich), die dazu geführt hat, dass fast meine komplette CD-Sammlung erst aus dem Regal in Pappkartons und dann am anderen – vorübergehenden – Ort unsortiert wieder ins Regal gewandert ist. Und das steht nun für einige Wochen so im Arbeitszimmer meiner Frau, dass nur ein Bruchteil der CDs auffindbar und zugänglich ist. Westernhagen und Heep habe ich in dieser Situation nicht gefunden. (Hatten ja auch beide schon eine Kolumne!)
So trifft es dieses Mal Tom Petty, ein für mich 1989 relativ unbeschriebenes Blatt. Aufgrund des aktuellen Albums Full Moon Fever war er damals mit verschiedenen Stücken recht häufig im Radio zu hören, die mir durchweg gut gefielen. Bei einer Fahrt durch Schöneberg entdeckte ich dann bei Stern-CD die Live-CD Pack up the Plantation, die sofort verhaftet wurde.
Stern-CD in der Kolonnenstr. 54, gleich um die Ecke von dem Haus, in dem David Bowie in seiner Berliner Zeit gewohnt hat, war eigentlich gar kein CD-Laden, sondern ein CD-Verleih. Die im Vergleich zur Vinyl-LP relative Unempfindlichkeit der CD machte diese Geschäftsidee möglich. Nicht-Sammler holten sich einfach ein paar CDs nach Hause, hörten sie einige Zeit lang (überspielten sie vielleicht auch auf Cassette) und tauschten sie dann gegen irgendwas Neues aus. Und wenn die Nachfrage nach einer CD zu gering war, landete sie im Verkaufskasten, um von Kunden wie mir aus dem Leihverkehr herausgenommen zu werden. So geschehen am 12. September 1989.
CDs auszuleihen, um sie für einen begrenzten Zeitraum zum Hören zur Verfügung zu haben, macht in Zeiten des Downloads überhaupt keinen Sinn mehr. Stern-CD gibt es daher natürlich nicht mehr.
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