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Der September 1986 bietet große Einschnitte in meinem Leben; dafür umso weniger neue CDs. Lediglich ein Album kam mit der laufenden Nummer 15 zu meiner Sammlung hinzu. Zum CD-Kaufen hatte ich damals scheinbar schlicht zu wenig Zeit.
Zum einen lag in den Semesterferien ein einwöchiges Seminar in einem idyllischen Landhaus, während dessen wir uns mit der seinerzeit heftig diskutierten Frage beschäftigten: „Gibt es eine materielle Ethik des Neuen Testaments?“; mit anderen Worten: Schreibt das Neue Testament ein bestimmtes konkretes Handeln vor, oder gibt es nur eher allgemeine Hinweise, wie man als Christ sein Leben verantwortlich gestalten soll?
Was so akademisch klingt, war damals ein Thema für die Straße. So war der evangelische Sozialethiker Prof. Karl-Wilhelm Dahm, politisch eher links eingestellt, der Überzeugung, dass es so eine Ethik gibt und man daher als christlicher Theologe eine biblisch begründete Meinung auch z.B. zu Fragen von Politik und Wirtschaft formulieren kann. So konnte die reformierte Kirche Hollands eine eindeutig ablehnende Haltung zu Atomwaffen einnehmen.
Der politisch konservative Neutestamentler Prof. Willi Marxsen lehnte das entschieden ab. Ja, das Neue Testament rufe natürlich zu einem friedlichen Miteinander auf. Aber ob das in Konflikten zwischen Staaten eher mit oder ohne Waffen erreicht werden kann, sei eine politische Sachfrage, die man mit anderen, als biblischen Argumenten zu beantworten habe.
Die Professoren Dahm und Marxsen mit dem halben Autor dieser Zeilen und einer weiteren Studentin |
Das von diesen von diesen beiden Koryphäen geleiteten Seminar fand in der feudalen universitätseigenen „Villa Jordaan“ bei Wettringen, auch „Landhaus Rothenberge“ genannt, statt. Ich erschien in passender Erscheinung. An Bart und Haare hatte ich seit Beginn meines Studiums knapp drei Jahre zuvor, kein Messer mehr kommen lassen. Mir schien das damals für einen Studenten, Kriegsdienstverweigerer, Fachschaftsvertreter etc offenbar passend zu sein. But - wie wir alle wissen - the times they are a-changing.
Vor dem Seminar hatte sich aber bereits etwas anderes geändert - meine Adresse: Am Wochenende zuvor hatte ich mich mit einem Kleintransporter auf die gut 500 Kilometer lange Fahrt von Münster nach Berlin gemacht. Um 18 Uhr konnte ich mir den für den nächsten Tag gemieteten Wagen bereite abholen - somit standen mir für eine Tagesmiete 24 Stunden für die Fahrt hin und zurück zur Verfügung. Irgendwann um 20 Uhr war der Wagen beladen, Abfahrt, Pause mit einigem Umladen in Hannover, Weiterfahrt. Gegen drei Uhr Morgens ging es über die Grenze. Denn in der DDR galt Tempo 80 für den Transporter und wenn auf der Transitautobahn der Fahrtenschreiber kontrolliert wurde, galten auch die 105 km/h, die man auf dem Münsteraner Stadtring gefahren war, als zu ahnende Vergehen.
Der Autor, Version „Prä-Berlin“ |
Zur wahrscheinlich großen Freude meiner zukünftigen Nachbarn wurde dann zwischen 4 und 6 Uhr in der Frühe in meinem neuen Lankwitzer Domizil entladen. Als erstes ging das Sofa in die Wohnung, damit mein Freund Matthias etwas Schlaf bekommen konnte, denn er stand gegen 8 Uhr bereits wieder auf der Autobahn. Mit Pause bei seinen Eltern in Hannover hat er es gut geschafft, den Transporter rechtzeitig wieder abzugeben.
Natürlich musste ich dann nach dem o.g. Seminar noch einmal nach Münster, um mein Zimmer besenrein zu machen. Und dabei kam es dann zu der nächsten Veränderung. Eine Kommilitonin (Kerstin?) hatte es übernommen, den in der Fachschaft mitarbeitenden Studenten die Haare zu schneiden. Ihre Dienste nahm ich nun in Anspruch und trat mein Studium in Berlin mit relativ „normalem“ Haar an.
Diese geschickt Platzierung des Outfit-Wandels zwischen zwei Studienorten hat mir dann wohl die eine oder andere witzelnde Bemerkung über die eingetretene Veränderung erspart.
Ein so gefüllter Monat brachte - wie gesagt - nur wenig neue CDs mit sich. Daher gibt es dieses Mal alternativlos das Debüt des Soloprojekts Mike and the Mechanics des Genesis-Gitarristen Mike Rutherford. Bis heute steht es mit handgeschriebenem Inlay im Regal. Das Fehlen des Originals hatte den Preis damals auf 8,-- DM gedrückt.
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