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Venus and Adonis
Info
Musikrichtung:
Barock Oper
VÖ: 26.04.2011 (CPO / JPC / CD / DDD / 2009 / Best. Nr. 777614-2) Gesamtspielzeit: 67:00 |
Bei den ersten Takten der Ouvertüre von John Blows kleiner Oper Venus and Adonis, die 1683 komponiert wurde, möchte man glauben, man lausche einer französischen Barockoper. Tatsächlich hat die französische Musik im 17. Jahrhundert großen Einfluss auf die musikalische Entwicklung in England gehabt. Das Orchester und Formen des Hofballetts und der tragédie lyrique wurden übernommen und mit eigenen Traditionen verschmolzen. Insgesamt gibt sich die hohe französische Opern-Schule viel stilisierter und sprachgebundener als dieser erste Versuch einer durchkomponierten englischen Oper, die spielerisch, vergnügt und musikalisch alles andere als absolutistisch streng daher kommt. Man muss nur hören, wie schmiegsam und melodisch die Vokalpartien im Vergleich mit der Deklamation eines Lully gestaltet sind. Was den Ausdruck angeht, scheint Blow eher nach Italien zu blicken, versteht sich aber auch auf die Kunst, den Ton englischer Volksmusik einzufangen. Gewiss ist auch die Dauer von knapp 50 Minuten eine Ursache dafür, dass der rezitativische Moment nicht zu sehr dominiert. Es gibt in rascher Folge Gelegenheiten für kleine, aber sehr gefühlsintensive Arien, Ensembles, Chöre und Tanzeinlagen, gerne auch in bunter Mischung.
In seiner Bündigkeit kann man die Blow-Oper Henry Purcells Fragment Dido and Aeneas an die Seite stellen, das praktisch gleichzeitig entstanden ist. Zwar erreicht Blow nicht die geradezu magische Kunst der Überhöhung, ja Transzendierung des musikalischen Ausdrucks. Aber sein Werk steckt ebenso voller Einfälle. Drei dramaturgisch klug disponierte Miniakte treiben das Geschehen voran. Und das junge, frische Ensemble des Boston Early Music Festival, das kürzlich beim gleichen Label mit einem französischen Schwesterwerk, Marc-Antoine Charpentiers Minioper Actéon , brillierte, vermag auch in diesem Fall für sich einzunehmen.
Dabei gilt es, sich gegenüber einer etwas älteren Einspielung von René Jacobs zu behaupten. Der führte 1998 ein famoses, überwiegend britisches Ensemble an und bietet eine Lesart, die sich durch eine gewisse orchestrale Großzügigkeit und klangfarbliche Raffinesse auszeichnet. Das Ensemble ist vor allem bei den Streichern wesentlich größer besetzt: ein „richtiges“ Kammerorchester spielt da auf, mit dem Jacobs-typischen Swing und Biss. Auch tontechnisch wird aus dem Kammerspiel eine richtige Oper, scheinen sich die SängerInnen doch etwas entfernter auf einer Bühne aufzuhalten. Entsprechend kenntzeichnt diese Produktion eine effektvolle dynamische und räumliche Breite.
Anders Stephen Stubbs und Paul O’Dette: Der Sendesaal in Bremen klingt wie schon bei Actéon direkter und trockner und wirkt mehr wie ein privater fürstlicher Festsaal denn ein Opernhaus. Auch die instrumentalen Kräfte nehmen sich viel bescheidener aus (ein durch Holzbläser und Cembalo erweitertes Streichquartett), sind dafür mit einem basse de violon statt Cello historisch korrekter besetzt. Was ihnen an klanglicher Opulenz und Finesse abgeht, machen die Bostoner durch eine rustikale Direktheit wett - allerdings muss man dabei auch Intonationstrübungen beim Flötenvorspiel zum ersten Akt hinnehmen. Bei Jacobs gibt es einen „erwachsenen“ Chor, bei der Neuaufnahme hört man stilistisch passend den Knabenchor Unser Lieben Frauen Bremen, dessen zarterer Klang der Produktion eine märchenhafte Note verleiht.
Im Unterschied zur Jacobs-Vergleichseinspielung wartet sie überdies noch mit zwei weiteren Vokalstücken und einem Instrumentalwerk auf, die diese CD zu einem stimmigen Blow-Portrait abrunden. Wie auch sonst bei CPO wurde diese Produktion des Boston Early Music Festival wieder sehr sorgfältig ediert und mit einem üppigen mehrsprachigen Beiheft versehen. Da wünscht man sich doch, dass auch die diesjährige große Produktion, Agostino Steffanis Niobe, Regina di Tebe ihre Aufnahme in diese Reihe findet - es wäre bestimmt eine Bereicherung des noch sehr schmalen Steffani-Opern-Repertoires auf CD!
Georg Henkel
Trackliste
24 Welcome, ev'ry Guest
25 Ground g-moll für 2 Violinen & Bc
26 Chloe found amyntas lying all in tears
Besetzung
Jason McStoots, Zachary Wilder: Tenor
Mireille Lebel: Mezzo-Sopran
Douglas William: Bass-Bariton
Tylor Duncan: Bariton
Boston Early Music Festival Vocal & Chamber Ensemble
Paul O’Dette & Stephen Stubbs: Laute, Barockgitarre und Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |