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Reviews

Maier, M. (Noone)

Atalanta Fugiens. Musik, Alchemie und Rosenkreuzertum im frühen 17. Jahrhundert


Info

Musikrichtung: Barock Ensemble

VÖ: 01.04.2011

(Glossa / Note 1 / CD / DDD / 2008 / Best. Nr. GCD P31407)

Gesamtspielzeit: 71:33

ESOTERISCHE FRÜCHTE

Das Repertoire dieser Aufnahme verdient wahrlich das Prädikat „besonders esoterisch“. Es besteht aus fünfzig Fugen (eigentlich dreistimmigen Kanons), die der Komponist Michael Maier aus einem einzigen gregorianischen Choralfragment gewonnen hat. Diese Kanons sind fünfzig in Kupfer gestochenen Emblemen einer alchemistischen Schrift mit dem mythologisch anspielungsreichen Titel Atalanta Fugiens aus dem Jahr 1617 beigegeben. Die Geschichte von der flüchtenden Atalanta wurde zur Inspirationsquelle für die dreistimmigen musikalischen „Flucht“-Stücke (eben Fugen). Die zu den Emblemen gehörenden Epigramme, die auf die Musik gesungen werden, haben mit der Atalanta-Geschichte aber nicht unmittelbar etwas zu tun. Es sind vielmehr die Beschreibungen der Kupferstiche, in denen, literarisch und auch grammatikalisch codiert, allerlei alchemistisches Geheimwissen transportiert wird. Die anspielungsreichen Texte finden sich mehrsprachig im Beiheft, das zudem alle Embleme enthält - klein aber fein (für Interessierte hält das Internet große Abbildungen bereit). So kann man sich selbst alchemistisch weiterbilden.
Dass Maier, immerhin ein Universalgelehrter und wohl auch Mystiker des 17. Jahrhunderts, für sein Gesamtkunstwerk Musik im Stil der Gotik komponiert hat, setzt dem Ganzen die Krone manieristischer Merkwürdigkeiten auf. In der Tat klingen die Fugen gerade deshalb ausgesprochen modern, weil sie neomittelalterlich tönen; in ihrer spröden, dissonanzgewürtzen Sinnlichkeit und kontrapunktischen Verwicklung könnten sie auch aus der Feder Igor Stravinskys stammen.

Nicht nur für die Komposition sondern erst recht für eine Einspielung und das Hören stellt diese Musik eine ziemliche Herausforderung dar: Fünfzig Fugen über das gleiche Thema! Da droht allenthalben Material- und Ohrermüdung.
Michael Noone, der Leiter des Ensembles Plus Ultra, hat sich für eine Ausführung mit vier Singstimmen und drei Instrumenten in immer neuen Kombinationen entschieden. Auch wenn die melodische Substanz und vor allem die aufsteigen Schlusskadenz dieselben bleiben, dürfte es kaum möglich sein, unter weitgehender Berücksichtigung historischer Aufführungsgepflogenheiten diese Musik farbiger und ansprechender darzubieten als es hier der Fall ist. Wobei Noone dem esoterischen und spekulativen Charakter der Musik durch den Einsatz des chinesischen Saiteninstruments Erhu Rechnung trägt. Es fügt sich mit seiner pikanten Farbe allerdings allerdings ganz harmonisch in das Ensemble ein. So gibt es rein vokale oder instrumentale und zahllose gemischte Besetzungen.

Wie soll man diese Musik hören? Wie eine Sammlung komponierter Mandalas vielleicht. Man kann auch jederzeit aussteigen und an anderer Stelle wieder einsteigen. Der Ohrwurmcharakter des cantus firmus und die Kürze der Stücke - jeweils ca. 90 Sekunden - machen aus der Aufnahme eine Art zeitlose Meditationsplatte. Trotz der Begrenztheit des Materials hat das Projekt einen hypnotischen Reiz, die Eintönigkeit wird durch die geschickten Arrangements relativiert. Dennoch: diese CD mit esoterischen Früchten aus dem Frühbarock ist vor allem etwas für Sammler und Liebhaber!



Georg Henkel

Besetzung

Grace Davidson: Sopran
Clare Wilkinson: Alt
Warren Trevelyan-Jones: Tenor
Giles Underwood: Bass

Stephen Jones: Erhu
Sue Addison: Posaune
Marie Bournisien: Renaissance-Harfe

Michael Noone: Leitung
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