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Reviews

Bernstein, L. (Judd)

Symphonie Nr. 1 "Jeremiah" / Concerto for Orchestra "Jubilee Games"


Info

Musikrichtung: Orchester

VÖ: 12.01.2003

Naxos American Classics/ Naxos (CD DDD (AD 2002) / Best. Nr. 8.559100)

Gesamtspielzeit: 55:04

Internet:

Naxos

ZWISCHEN GLAUBENSKRISE UND BEKENNTNIS: BERNSTEIN ALS "E"-MUSIKER

Leonard Bernstein und West Side Story: Zusammen ist das fast schon ein Markenartikel. Dass der Komponist des berühmten (wenn nicht berühmtesten) Musicals und einer Reihe erfolgreicher Geschwisterwerke auch ganz "ernsthafte" Musik geschrieben hat, mag man da schnell übersehen. Bernstein (1918-1990), der nur zwischen guter und schlechter Musik unterschied, hätte mit der Etiketten U- oder und E-Musik wohl nicht viel anfangen können. Aber sie ist zumindest hilfreich für die Unterscheidung jener Werke, die er nicht für die Bühnen des Broadway geschrieben hat.

Denn bekannt gemacht als Komponisten und Dirigenten hat den 25jährigen Bernstein seine erste Sinfonie "Jeremiah". Begonnen 1939, wurde das Werk 1942 praktisch über Nacht als Wettbewerbsbeitrag vollendet. Zwar gewann es nicht den 1. Preis, sorgte aber 1943 bei Bernsteins spontanem Debut als Dirigent in der Carnegie Hall für Furore. Der junge Musiker war für den erkrankten Bruno Walter eingesprungen: Durch sein ungemein leidenschaftliches, geradezu ekstatisches Dirigat wurde Bernstein praktisch über Nacht zum Gesprächsthema der Musikwelt.

"Jeremiah" ist ein biographisches Werk. Bernstein verarbeitet dort eine persönliche Glaubenskrise, ein Thema, das in Zeit seines Lebens beschäftigte. Die alttestamentlichen Klagen des Propheten Jeremias über die Zerstörung Jerusalems nimmt der Komoponist zum Anlass für sein dreisätziges Werk: Wuchtig und feierlich klingt die eröffnende instrumentale Prophecy, die das Strafgericht über das von Gott abgefallene Israel "verkündet", das dann im zweiten Satz Profanation vollzogen wird: als grandioser Orchesterrausch, der weniger schrecklich, als mitreißend klingt. Die Ambivalenz von effektvoller und genießerischer Klang-Orgie und Untergangs-Szenario erscheint als treffende musikalische Metapher für Bernsteins konfliktreiche Auseinandersetzung mit seinen jüdischen Wurzeln.
Beschlossen wird das Werk durch die Lamentation, die Klage des Propheten, die hier im hebräischen Original von einem Sopran (eindringlich: Helen Medlyn) gesungen wird. "Jeremiah" ist von gemäßigter Modernität: spannungsvoll und leidenschaftlich, dabei erfüllt von einem ganz reinem, ungekünstelten Pathos, über das Bernstein wie kaum ein Zweiter gebot und das auch den heutigen Hörer noch unmittelbar ergreift.

Aufrührerischer gibt sich da schon das Konzert für Orchester Jubilee Games von 1986. Das Spätwerk spielt auf das jüdische Hall- oder Jobeljahr an, das nach biblischen Gebot alle 50 Jahre durch einen allgemeinen Schuldenerlass die brüderliche Gemeinschaft des Volkes Israel erneuern sollte.
Obwohl der Komponist hier zeitgenössische Kompositionsverfahren (z. B. die Aleatorik) rezipiert und in der sehr farbigen Orchestrierung und Vielfalt der Formen weit über "Jeremiah" hinausgeht, bleibt er sich doch auch hier treu: Selbst die "Free-Style"-Kakophonie des 1. Satzes ist noch in ihren wildesten Ausbrüchen für den Hörer fassbar. Je nachdem betörend melodisch, jazzig oder verspielt expressiv geben sich dann die acht Variationen über das Thema der Mixed Doubles. Geradezu dionysische Energie entwickeln im Anschluss die lebhaften Diaspora Dances; das Konzertstück klingt aus mit einer Benediction, in der Bernstein seinem Friedenswunsch (hier wunderbar lyrisch, geradezu zärtlich gesungen von Nathan Gunn) eindringlichen Ausdruck verleiht.

James Judd und das New Zealand Symphony Orchestra bleiben Bernsteins Musik nichts an rhythmischer Prägnanz, Klangsinnlichkeit und Intensität schuldig. Auch dank des plastischen, präsenten Klangbildes eine sehr lohnende Veröffentlichung.



Georg Henkel

Trackliste

01-03 Symphony Nr. 1 "Jeremiah" 25:06
04-15 Concerto for Orchestra "Jubilee Games" 29:58

Besetzung

Helen Medlyn, Mezzosopran
Nathan Gunn, Bariton

New Zealand Symphony Orchstra

Ltg. James Judd
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So bewerten wir:

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06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
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