Reviews

Windsbacher Knabenchor (Beringer)

Deutsche Volkslieder

Info Musikrichtung: Lied VÖ: 15.10.2010 (Sony Classical / Sony / CD / DDD / 2010 / Best. Nr. 88697757252) Gesamtspielzeit: 70:26 Internet: Windsbacher Knabenchor

Bisweilen schließt sich auch diskographisch ein Kreis: Wenige Jahre nach seiner im Jahr 1978 erfolgten Amtsübernahme als Chorleiter der Windsbacher hat Karl-Friedrich Beringer eine auch heute noch hörenswerte CD mit Tanzliedern und -sätzen des 16. und 17. Jahrhunderts vorgelegt (Bellaphon, 1983). Ende 2011 wird Beringer in den wohlverdienten Ruhestand treten und zuvor gibt es nun eine neue CD, auf der sich in aktueller Interpretation noch einmal das ein oder andere Lied findet, das schon damals geboten wurde ("Innsbruck, ich muss dich lassen" oder "Kommt, ihr G´Spielen" sowie "Tanzen und Springen"). Eine gute Gelegenheit für einen Vergleich also und vielleicht auch für ein künstlerisches Resümee. Im Hörvergleich fällt auf, dass Beringer die Lieder heute differenzierter ausdeutet, sie mehr in die Nähe des Kunstliedes rückt und das Volkstümliche zurücktreten lässt. Der Zugriff ist zurückhaltender, eher kammerchorartig, teils geradezu behutsam und versonnen. Zu einer verzeihlichen, aber nicht immer angenehmen Marotte ist es allerdings geworden, dass der Chorleiter vor dem Schlusston statt eines Ritardando gerne mal eine Generalpause einschiebt oder aber den Schluss durch ein Sforzato hervorheben lässt. Insgesamt wird deutlich, wie stark Beringer den Chor in Richtung auf sein Klangideal geprägt und dabei eine Qualität erreicht hat, die national und international ihresgleichen sucht. Kein anderer Knabenchor agiert so homogen, so atemberaubend perfekt in der Intonation und dynamischen Staffelung. Und - wie die eingespielten Stücke für Männerchor beweisen - kaum ein anderer verfügt über so starke Tenor- und Bassstimmen.
Daher werden selbst altbekannte Weisen, die man ansonsten muskalisch als Petitessen abtun würde, zu echten Neuentdeckungen mit hohem künstlerischem Anspruch. Wer hätte gedacht, dass man "Auf einem Baum ein Kuckuck saß", dem abgedroschenen "Muss i denn" oder der "Loreley" noch so viel ablauschen und sie so abwechslungsreich gestalten kann?
Die kurzen instrumentalen Zwischenstücke, mal für Bläser, mal für Streicher lockern das Programm auf und fügen sich - obschon musikalisch eigenständig - bruchlos ein.

Beringer hat den vergleichsweise jungen, nämlich erst 1946 gegründeten Chor aus der "Provinz" zu einem echten Markenprodukt geformt. Es bleibt zu hoffen, dass sein noch zu findender Nachfolger diesen Schatz mit gleicher Sorgfalt zu hüten und fortzuentwicklen verstehen wird.

Sven Kerkhoff