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Tallis – Byrd - Sheppard (stile antico)

Puer Natus est: Tudor Music for Advent and Christmas

Info Musikrichtung: Renaissance Vokal VÖ: 17.09.2010 (Harmonia Mundi / Harmonia Mundi SACD / 2009 / Best. Nr. HMU 807517) Gesamtspielzeit: 78:09

Nach der wunderbaren Kollektion mit Vokalmusik von John Sheppard fällt es schwer, für die neueste Produktion von stile antico ebenfalls etwas anderes als lobende Worte zu finden. Gewiss: Man hört in jedem Moment, dass diese Gruppe mit ihrem schlackenlosen, notengetreuen Vortrag ganz in der Tradition der großen englischen Vokalensembles steht. Und es werden auch keine grundsätzlich neuen interpretatorischen Perspektiven auf die Quellen eröffnet (wie es etwa das experimentierfreudige belgische Ensemble Graindelavoix bei den frankoflämischen Meistern vorgemacht hat). Aber die Art, wie sich die in diesem Fall bis zu 14 Sängerinnen und Sänger einem monumentalen Messfragment von Thomas Tallis, kurzen Gradual-Gesängen von William Byrd bzw. weit ausladenden Magnifikatvertonungen oder Motetten von Robert White und John Sheppard widmen und bei größter Genauigkeit des Vortrags einen ungemein geschmeidigen und natürlichen Klang erreichen, der einen auf Engelsfittichen zu tragen scheint - das macht ihnen so schnell keiner nach. So klingt meditative Hingabe an den Augenblick.
Und zugleich fügen sich die musikalischen Linien zu einem organisch-pulsierenden Ganzen. Dass die bis zu sechs Stimmen doppelt besetzt sind, schafft zudem wieder eine ideale Balance zwischen reifem Ensembleklang und schimmernder Transparenz. Die Texturen besitzen Tiefe, wirken aber zugleich schwerelos. Besonders gut kommen durch die subtile dynamische Staffelung die Licht- und Schatteneffekte heraus. Gewagte harmonische Wendungen werden präzise ausgesungen. Gerade Tallis ist ein Meister im chromatischen Farbauftrag. Sein üppig blühender Kontrapunkt hält so manche Überraschungen für das aufmerksame Ohr bereit. Wunderschön ist das mystische Glühen im Responsorium aus der Vesper zum Fest Mariä Reinigung, Videte miraculum, in der sich freudige Ergriffenheit mit melancholischer Sehnsucht auf eine Weise mischt, wie es vielleicht nur in der englischen Spätrenaissance möglich war. Jene Verse, die in gregorianischer Einstimmigkeit verbleiben, bekommen durch die polyphone Einfassung den Rang einer besonderen Kostbarkeit. Alt und Neu verbinden sich auf vollkommene Weise. Gerne würde man von stile antico die berühmten Lamentationen von Tallis oder Taverners ekstatische Messe zu Ehren der Dreifaltigkeit auch einmal in derartiger Qualität hören.

Georg Henkel