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Der Tag des Gerichts
Info
Musikrichtung:
Barock Oratorium
VÖ: 1.11.2010 (Rondeau / Note 1 / CD / DDD / 2009 / Best. Nr. ROP6036) Gesamtspielzeit: 73:17 Internet: Bach Consort Leipzig |
WELTUNTERGANG LIGHT
Telemanns Singgedicht "Der Tag des Gerichts" ist ein bemerkenswertes Spätwerk. Komponiert im Alter von 80 Jahren belegt es exemplarisch, wie aufgeschlossen Telemann bis zum Ende gegenüber allen musikalischen Strömungen der Zeit war und wie er sie alsbald in seinen Personalstil zu integrieren wusste. Das 1762 uraufgeführte Oratorium weist in seiner tonmalerischen Konsequenz, im Zurückdrängen barocker Strenge zugunsten eines größeren Farbreichtums voraus etwa auf die großen Oratorien Joseph Haydns. Das macht den Umgang mit dem Werk heute nicht unbedingt einfacher, denn so manche musikalische "Malerei" und tönende Naturbeschreibung mag auf den ersten Blick naiv anmuten. Gerade angesichts der Sujets, das die Apokalypse mit der Vernichtung der Frevler und Ungläubigen, zugleich aber der Erhöhung der Gläubigen schildert, ergeben sich dabei merkwürdige Kontraste, die aber beim zweiten Hinhören gerade den Reiz ausmachen können. Die Beschäftigung mit dem Stück lohnt außerdem schon deshalb, weil es mit Mitteln des musikalischen Aufbruchs einen Text abarbeitet, in dem es u.a. darum geht, die aufklärerische Weltsicht der Vernunft mit jener der Religion zu vereinen, um zu zeigen, dass Vernunft nicht zwingend Ungläubigkeit bedeuten muss. Ein noch immer aktuelles Thema.
Gotthold Schwarz, der nicht nur die Bass-Partie, sondern auch die Gesamtleitung in dieser Einspielung übernommen hat, schreckt indes davor zurück, die Kontraste ganz auszuloten. Die zahlreichen plastischen Arien wie "Fürchtet nur, fürchtet des Donners Schelten", "Jetzt weiß ich´s, überkluge Köpfe" oder "Hinweg von meinem Angesichte!" böten an sich viel Gelegenheit, dem Ganzen auch opernhafte Züge zu verleihen und das von Zorn über Spott bis zu Verdammung reichende Stimmungs- und Affektspektrum auszukosten. An sich nämlich reichen sich hier eine gewisse Leichtigkeit des Satzes und eine mahnende Monumentalität die Hände. Die Sänger legen sich insoweit aber - bei durchweg edlem Vortragsstil - eine zu weitgehende Zurückhaltung auf, was dem Werk einiges an Lebendigkeit nimmt. Wie man dies entschlossener, emphatischer und damit überzeugender anlegen kann, haben Nikolaus Harnoncourt in seiner (unverändert hörenswerten) Aufnahme aus dem Jahre 1966 (Teldec, 1992) und Hermann Max gezeigt (Capriccio, 2000).
Dass die Apokalypse ziemlich milde daherkommt, liegt zusätzlich auch daran, dass Schwarz sich bei der Neueinspielung für eine konsequent solistische Besetzung entschieden hat. Die Chöre werden also ausschließlich von den vier Solisten bestritten. Hier wäre zumindest eine Verdoppelung durch einen Ripieno-Chor wohl die bessere Lösung gewesen, denn wenn es etwa heißt "Der Herr kommt mit viel tausend Heiligen" und dabei nur vier Sänger zu hören sind, entbehrt das - mögen der Stimmen auch noch so volumenreich sein - nicht einer gewissen Komik. Siri Karoline Thornhills Sopran ist zudem für die Partie insgesamt zu leicht.
Zudem dürfte die schlanke, bewegliche Begleitung durch die Instrumentalisten des Bach Consort Leipzig pointierter ausfallen, um dem musikalischen Geschehen dramatisches Gewicht zu verleihen. So gerät nicht zufällig jener Teil am überzeugendsten, in dem das Geschehen bereits an sein Ende gekommen ist, wenn nämlich im vierten Abschnitt die Betrachtung der Verherrlichung und der neuen Welt im Vordergrund steht.
Sven Kerkhoff
Trackliste
Besetzung
Susanne Krumbiegel: Alt
Tobias Hunger: Tenor
Gotthold Schwarz: Bass
Bach Consort Leipzig
Gotthold Schwarz: Ltg.
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |