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Beethoven, L. v. Brautigam

Frühe Klavierwerke. Sämtliche Sonaten IX

Info Musikrichtung: Klassik Klavier VÖ: 18.08.2010 (BIS / Klassik Center Kassel / SACD hybrid / 2009 / Best. Nr. BIS-1672) Gesamtspielzeit: 60:54

Nach seiner Exegese des Neuen Testaments der Klavierliteratur, den 32 Klaviersonaten Ludwig van Beethovens, wendet sich Ronald Brautigam nun zunächst den pianistischen Apokryphen aus der Feder des jungen Meisters zu. Die Auseinandersetzung mit diesen "Nebenstücken" erfolgt freilich nicht mit weniger Ernst, Hingabe und fruchtbaren Einsichten in die Musik. Das feingliedrige Stein-Fortepiano, wieder ein exzellenter Nachbau von Paul McNuty, ist im Timbre sowohl volltönend als auch von durchsichtiger Leichtigkeit. So kommen auf ihm gewisse Spätrokoko-Tendenzen genauso wie das Stürmerisch-Drängerische in den sogenannten drei Kurfürsten-Sonaten gut zur Geltung.
Der zwölfjährige Beethoven bedient zwar mit den Albertibässen, Quintgängen und Sequenzen äußerlich das Vokabular eines noch nicht ganz ausgereiften Klassizismus. Aber wie er das tut - nämlich mit erstaunlichem Interesse an der Verarbeitung des einfachen Materials in den Durchführungen - das zeigt ebenso eine individuelle Handschrift wie die ungekünstelte Leidenschaftlichkeit, die beispielsweise aus der f-Moll-Sonate spricht. Das klingt schon nach dem späten, reifen Beethoven. Und Brautigam gibt der Musik Feuer und Lebendigkeit, ohne ihre anmutigen „Naivitäten“ in den dekorativen Figuren zu unterschlagen. Oder die Brüche, die sich aus dem Spiel der formgebenden und gestaltbildenden Kräfte ergeben. Oder aber die einfache, klare Schönheit der langsamen Sätze mit Ausdruckswillen zu überfrachten.
Der Charme dieser Musik blüht auch in den Leichten Sonatinen, die hier so gar nicht nach Klavierunterricht klingen und den Zwei leichten Stücken für Klavier. Dass Brautigam auch in diesen Beiwerken die kleinen Kunstwerke identifiziert, macht den besonderen Rang der Aufnahme aus.

Georg Henkel