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Variationen über ein Thema von Händel, op. 24 – 16 Walzer, op. 39 – Zwei Rhapsodien, op. 79
Info
Musikrichtung:
Romantik Klavier
VÖ: 20.08.2010 (Berlin Classics / Edel / CD / DDD / 2010 / Best. Nr. 0016652BC) Gesamtspielzeit: 64:36 |
BEHERRSCHT
Johannes Brahms‘ Liebe zu alten Meistern ist für die Pianistin Ragna Schirmer gleichsam zu einer Brücke in dessen reichverzweigtes Klavierwerk geworden. Nach ihrem Händel-Album nähert sie sich dem hochromantischen Komponisten über den Variationenzyklus op. 24, dem eine Arie aus dem zweiten Band von Händels „Suites de pièces pour le clavecin“ zugrunde liegt. Nachdem er sich ausgiebig mit barocken Satztechniken beschäftigt hatte, entschied sich auch Brahms für einen eher strengen Ansatz und errichtete seine 26 Variationen über dem Bassfundament der Arie. Damit stand der harmonische Rahmen im Wesentlichen fest, das Spiel der melodischen Oberstimmen konnte sich dagegen recht frei entfalten.
Von der entrückten Präsentation der originalen, barock-filigranen Arie - ein wahrlich leuchtender Wurf Händels - bis hin zur kolossalen, quasi orchestralen Schlussfuge durchmessen der Komponist und seine Interpretin einen weiten Raum von Charakteren und Stimmungen. Dabei gelingt es Schirmer, den Wechsel zwischen den leichthändigen, verspielten Variationen und den dichter und komplexer gearbeiteten dramatischeren bzw. „romantischeren“ Stücken durch die wechselnde pianistische Beleuchtung und Farbgebung sinnig zu gestalten und so den Reichtum der Musik offenzulegen. Ihr Zugriff ist insgesamt unaufgeregt und maßvoll.
Die beiden anderen Teile des Programms zeigen ebenfalls auf ganz eigene Weise Facetten des leichten und des anspruchsvollen Brahms (wobei sich beides immer auch gegenseitig durchdringt): den launigen Witz und die an manchmal Chopin erinnernde Nachdenklichkeit und Melancholie der kurzen 16 Walzer op. 39 spielt Schirmer gekonnt aus. Eher moderat gestalte sie sie die emotionalen Wechselbäder, die Brahms in den Zwei Rhapsodien op. 79 inszeniert. Für das Agitato wählt sie ein nicht zu schnelles, ausreichend flexibles Tempo und arbeitet die wechselvollen Spannungs- und Druckpunkte der Musik heraus, ohne sie all zu sehr zuzuspitzen. Gleiches gilt für das Molto passionato der 2. Rhapsodie. Es wirkt bei ihr kraftvoll und griffig, die Musik gerät jedoch nicht in jene Regionen, wo das leidenschaftliche Vorwärtdrängen einen unbedingten Sog entwickelt. Also: Grundsätzlich klingt alles richtig, aber das Spiel erzeugt bei diesen Stücken noch nicht die innere Notwendigkeit und Leidenschaft, die ich z. B. bei Martha Argerich höre.
Georg Henkel
Besetzung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |