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Präludien und Fugen II
Info
Musikrichtung:
Klavier
VÖ: 15.01.2004 Ondine / Note 1 (2 CD DDD (AD 2002) / Best. Nr. ODE 1033-2D) Gesamtspielzeit: 105:25 Internet: Ondine |
VEXIERSPIELE: MUSTONEN ZWISCHEN BACH UND SCHOSTAKOWITSCH
Was Olli Mustonen bei BMG begonnen hat, setzt er nun beim finnischen Label Ondine fort: Einspielungen der Fugen und Präludien aus J. S. Bachs Wohltemperierten Klavier (jetzt eine Auswahl aus dem I. Teil) kombiniert mit entsprechenden Klavierstücken von Dimitri Schostakowitsch, die dieser Anfang der 50er Jahre komponiert hat. Folgt Bach in seinem Zyklus der chromatischen Tonleiter, wählt Schostakowitsch für die Ordnung seiner Präludien und Fugen den Quintenzirkel. Mustonen, der in der ersten Folge an das Bachsche Modell anlehnte, orientiert sich bei der aktuellen Zusammenstellung an Schostakowitsch Anordnung - was bei den ausgewählten Stücken unter dem tonartlichen Gesichtspunkt tatsächlich in einer wunderschönen Symmetrie aufgeht.
Abgesehen davon ist es allerdings die hochspannende, risikofreudige Interpretation, durch die dieses Experiment zur faszinierenden Expedition zwischen den historischen Stilen und musikalischen Welten wird. Mustonens Bach beweist, dass dieser barocke Altmeister, ist erstmal ein Künstler von Format am Werk, eigentlich in jeder Interpretation klingt und funktioniert.
Mustonen bringt durch seinen modernen Ansatz die Vielschichtigkeit und Dichte von Bachs Klaviermusik eindrucksvoll zur Geltung. Dabei, ich gebe es zu, habe ich diese eigentlich so bekannten Werke zunächst fast nicht wieder erkannt. Mustonen projiziert die barocken Formexperimente weit in die Zukunft und läßt den Hörer mitunter für einen Augenblick rätseln, ob er es mit einem Stück Schostakowitschs oder Bachs zu tun hat: Da werden die Präludien und Fugen aus dem 18. Jahrhundert urplötzlich (und wie selbstverständlich) zu kubistisch anmutenten Hörabenteuern mit (im wahrsten Sinne) "verrückten" Perspektiven, da scheint Bach mitunter das "Unsagbare" der Spätromantik oder die zarten Klangträume des Impressionismus vorwegzunehmen, da wird die Musik zur Klang-Landschaft und lösen sich die Stimmen in pointilistische Girlanden auf, die direkt zur Neuen Musik zu führen scheinen.
Umgekehrt scheint aber auch bei Schostakowitsch ständig der barocke Meister durch, ohne dass Stilzitate direkt greifbar würden. Es ist vielmehr eine gemeinsame Atmosphäre, die der Pianist bei beiden Komponisten entdeckt bzw. durch seine Darbietung zum Klingen bringt: die Atmophäre einer unangepassten "Modernität", die jenseits aller Konventionen den eigentlichen Reiz "großer" Musik ausmacht.
Wie Mustonen nun diese "Fusion der Zeiten" gelingt, ohne dass dabei die Musik bloß beliebig und bemüht "zeitgeistig" klingen würde, ist wirklich großartig.
Georg Henkel
Trackliste
Dimitri Schostakowitsch: 12 Präludien und Fugen aus den 24 Präludien und Fugen op. 87
Besetzung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |