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The Fairy Queen
Info
Musikrichtung:
Barock Oper
VÖ: 24.05.2010 (Opus Arte / Naxos / 2 DVD / live 2009 / Best. Nr. OA1031D) Gesamtspielzeit: 230:00 |
EXTRAVAGANTES MUSIKTHEATER
Bei über zwei Stunden hinreißender Musik kann man leicht vergessen, dass The Fairy Queen von Henry Purcell eigentlich gar keine richtige und vollständige Oper, sondern „nur“ eine Bühnenmusik zu William Shakespeares „Sommernachtstraum“ ist. Sie besteht aus instrumentalen Einlagen und ausgewachsenen Masques, also prächtigen allegorischen Aufzügen, die die Akte beschließen.
Um das Stück dem Geschmack des damaligen Publikums und den Bedürfnissen der Musik anzupassen, wurde Shakespeares Klassiker allerdings überarbeitet und vereinfacht. Weil diese Fassung aus zweiter Hand nicht die Qualität des Originals hat, hat man sich bislang bei Inszenierungen auf die Musik konzentriert und versucht, diese mit einem angedeuteten Handlungsgerüst halbwegs sinnvoll zu dramatisieren.
In Glyndebourne hat man es 2009 riskiert, das ganze Stück in voller Länge auf die Bühne zu bringen, sogar mit den verballhornten Shakespeare-Texten. Und siehe da: Es ging wunderbar auf.
Das eigentliche Drama vollzieht sich als normales Theaterstück, das, Purcells Genie sei Dank, ganz zwanglos mit der herrlichen Musik verschmilzt. Regisseur Jonathan Kent entschied sich mit dem Bühnenbildner Peter Brown bei der „normalen“ Handlung für eine fast schon expressionistische Schwarz-Weiß-Inszenierung: Die Welt der unglücklich verliebten Sterblichen ist die Welt des Tages und Lichtes, hell und weiß. Die Welt der Waldelfen, Feen und Kobolde ist die der Dunkelheit und Nacht, schwarz und finster. Hier tummelt sich das geflügelte Gefolge von Oberon und Titania in dunklen Anzügen und Kleidern und treibt seine Scherze mit den verwirrten jungen Leuten, die sich dorthin verirrt haben.
In diesem Nachtspiel wird das Licht oft sehr sparsam und eher hart und kontrastreich denn atmosphärisch eingesetzt. Romantische Zauberwälder darf man da nicht erwarten, statt dessen ein perspektivreiches Spiel zwischen Traum und Wirklichkeit, Theater und Leben, Musik und Drama. Dennoch fällt es nicht schwer, dem komischen Verwirrspiel zu folgen und dem eben nicht nur possierlichen Charme der Nachtwesen zu erliegen, zumal die Darsteller/innen allesamt sehr plastisch und mit viel Sinn für Komik agieren. Die ist lediglich bei den sehr polternden Handwerken, die im Wald zur gleichen Zeit ein Theaterstück aufführen, zu dick aufgetragen. Vor allem Desmond Barrit als Zettel neigt anfangs zum chargieren.
Die Welt der Masken-Spiele ist gegen diese visuelle Strenge ein Rausch in Licht und Farbe. Neo-barocke Extravaganz darf sich in den fabelhaften Kostümen, zauberhaften Flugmaschinen und einem versenkbarem Bühnenboden entfalten. Die Regie geizt nicht mit charmanten und witzigen Einfällen. So verbindet der British Way of Life sich mit Preziosen aus der Kunst- und Popgeschichte. Genervte anglikanische Geistliche, Prominenz in barocken Roben, Manierismus à la Guiseppe Arcimboldo und die Bewohner der „Blauen Lagune“ vertragen sich ganz prächtig. Beim letzten Maskenspiel werden alle Sphären des Stücks zu einem großen Finale miteinander verschmolzen und das Publikum geht begeistert mit. So serviert, macht die Fülle an musikalischen Einfällen Sinn und ermüdet nicht.
William Christie entlockt dem Orchestra of the Age of Enlightenment ein Bouquet exquisiter Farben und Temperamente: mal duftig zart, dann wieder auftrumpfend und glanzvoll oder aber auch deftig und burlesk - wie es gerade sein muss. Mit der Fantasie, mit der das Orchester den Notensatz belebt und zum Mitakteur macht, übertrifft es noch Christies CD-Einspielung mit Les Arts Florissants, die vor zwanzig Jahren bei Harmonia Mundi erschienen ist. Hier kann man hören, wie sich die Interpretation alter Musik inzwischen weiterentwickelt hat. Die zahlreichen Solist/innen wie auch der Glyndebourne-Chor agieren auf Augenhöhe mit den Instrumentalisten. Kim Brandstrups differenzierte Choreographie hält eine Truppe Tänzer/innen in geschmeidiger Bewegung und rundet das Gesamtkunstwerk ab.
Die vielfältigen Aktionen sorgen zwar für Nebengeräusche, vermitteln aber eine authentische Live-Atmosphäre. Das ist pralles Musiktheater, das keinen Staub angesetzt hat.
Georg Henkel
Trackliste
Besetzung
Sänger: Claire Debono, Anna Devin, Carolyn Sampson, Ed Lyon, Andrew Foster-Williams, Robert Burt, Sean Clayton, Adrian Ward, Lukas Kargl, Lucy Crowe u. a.
The Glyndebourne Chorus & Orchestra of the Age of Enlightenment
William Christie: Leitung und Cembalo
Jonathan Kent: Regie
Paul Brown: Bühne
Mark Henderson: Licht
Kim Brandstrup: Choreographie
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |