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Symphonie fantastique
Info
Musikrichtung:
Romantik
VÖ: 26.2.2010 (Zig-Zag / Note1 / CD / DDD / 2009 / Best. Nr. ZZT100101) Gesamtspielzeit: 64:52 Internet: Anima Eterna |
ZU KURZ GESPRUNGEN
Überzeugende Lösungen hält Jos van Immerseel bei seiner Interpretation dieses Paradewerks romantischer Orchesterliteratur nur in technischer Hinsicht parat. Seine Lust am Recherchieren und Experimentieren bringt einmal mehr besonders reiche klangfarbliche Früchte hervor, so zum Beispiel durch den Einsatz zweier Ophikleiden im Schlusssatz, die zumeist gestopft gespielten Piston-Hörner und die verblüffend tragfähige Verwendung des Klaviers anstelle der praktisch kaum adäquat einzubindenden Glocken, welche die Partitur an sich vorzuschreiben scheint.
Indes: Was soll der ganze Aufwand und die Liebe zum Detail, wenn nicht auch das Werk an sich die gebührende Aufmerksamkeit erfährt? Immerseel notiert im Booklet, Romantik habe für ihn stets auch etwas mit Maßlosigkeit zu tun. Man mag dies in solcher Absolutheit nicht unbedingt teilen, richtig ist aber, dass der Epoche ein Hang zur Entgrenzung, Übersteigerung und zum höchst subjektiven Gefühl eigen ist. Wie in kaum einem zweiten Werk findet dies in der Symphonie fantastique seinen Niederschlag, in der Berlioz die leidenschaftliche Liebe eines Künstlers zu einer jungen Frau nachzeichnet. Eine Liebe, die fortan sein Leben bestimmt, auf dem festlichen Ball, wie in der Natur, die aber unerfüllt bleibt, ihn schließlich in Suizidabsicht zum Opium greifen lässt, was ihn auf einen wahren Horrortrip samt traumhaftem Erlebens der eigenen Hinrichtung und eines veritablen Hexensabbats bringt. Berlioz´ Musik lotet dieses Extreme schonungslos aus, übersteigert die großen Gefühle, verzerrt das Rauscherlebnis ins Groteske.
Nichts davon ist in dieser Einspielung zu spüren. Immerseel hält sich geradezu sklavisch an die Tempo-Bezeichnungen, erlaubt nicht die kleinste Abweichung. Den ersten Satz zergliedert er dabei nachgerade analytisch in tausend Puzzleteile, dem zweiten Satz (Un Bal) nimmt er jenen mitreißenden Strudel der tänzerischen Bewegung, der ihn ausmacht. Einzig die eher betrachtende dritte Szene mag man sich gefallen lassen, aber der Marsch zum Schafott (4. Satz) wird wiederum kalt herunterbuchstabiert, als ginge es um eine journalistische Reportage und nicht um einen tonmalerisch geschilderten, fieberhaften Drogentraum. Die Kälte nimmt Immerseel sogar noch in den Schlusssatz mit. Dass der Hexensabbat mit seinen aberwitzigen Verzerrungen, musikalischen Zitaten und seinem überbordenden Einsatz musikalischer Mittel nicht zündet, liegt allein hieran und mitnichten an dem Orchester, welches mit 70 Musikern (davon 36 Streicher) schlank besetzt ist und daher recht obertonreich klingt.
Sven Kerkhoff
Trackliste
1 Reveries / Passions 14:59
2 Un Bal 06:47
3 Scène aux Champs 15:52
4 Marche au Supplice 07:32
5 Song d´une nuit du Sabbat 10:29
Le Carnaval romain
6 Ouverture caractéristique 09:13
Besetzung
Jos van Immerseel: Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |