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Siroe
Info
Musikrichtung:
Barockoper
VÖ: 17.03.2004 Harmonia Mundi France (2 CD DDD (AD: 2003) / Best. nr. HMC 901826.27) Gesamtspielzeit: 155:05 Internet: Harmonia Mundi France |
MUSIKALISCHER REICHTUM: SPERING REANIMIERT "SIROE"
Wenn man diese Neueinspielung von Händels Oper "Siroe, Re di Persia" hört, fragt man sich sogleich, warum dieses Werk bislang weder im Katalog, noch auf der Bühne vertreten war. 1728 und damit im gleichen Jahr geschrieben, wie etwa "Tolomeo" und "Riccardo Primo", besticht die Oper durch all das, was an Händels Bühnenwerken charakteristisch ist: Starke Emotionalität, geschickte Charakterzeichnung, blühende Melodien und abwechslungsreiche Instrumentierung. Das an sich recht dröge Libretto aus der Feder Metastasios bot dem Komponisten ein vielfältiges Tableau an Stimmungen und Ereignissen, das er raffiniert zu nutzen wußte.
Andreas Spering bricht beherzt eine Lanze für das nahezu unbekannte Stück. Sein Dirigat ist spannungsreich, ja energiegeladen, jedoch in angenehmer Weise frei von Überspitzungen und vordergründiger Effekthascherei. Unter Sperings Leitung agiert die Cappella Coloniensis mit viel Verve und akzentuiertem, technisch perferktem Spiel. Ihre Darbietung wirkt insoweit lebendiger und abwechslungsreicher, als die der Capella Augustina, mit der Spering die ebenfalls kürzlich erschienene Händel-Oper "Imeneo" eingespielt hat (cpo 999 915-2; siehe MAS-Ausgabe vom Februar 2004).
Wie zu Händels Lebzeiten, so hängt jedoch auch heute der Erfolg im wesentlichen von den Sängern ab und hier wiederum ist die Besetzung in allen Teilen das, was mit dem Wort Idealbesetzung umschrieben wird.
Allen voran gilt dies für die Altistin Ann Hallenberg in der Titelrolle. In Händels Operntruppe spielte einstmals der Star-Kastrat Senesino den Siroe - Ann Hallenberg mit ihrer ungemein kraftvollen Stimme und Lust an der Gestaltung läßt uns das Fehlen der Kastraten in heutiger Zeit vergessen. Ihre Interpretation stellt gleichzeitig das aktuelle Bemühen, solche Partien möglichst mit Countertenören zu besetzen, in Frage, denn ein Counter mit solchen Qualitäten und solcher Stimmgewalt findet sich auch in deren Spitzengruppe nicht. Hallenbergs Register ist weit gespannt, so dass sie in den tiefen Lagen überzeugt, aber zugleich die Höhen bis zur äußersten Mezzo-Lage zu nehmen weiß.
Indes: Zur Ehrenrettung der Countertenöre trägt hier Gunther Schmid als Medarse bei. Sein Ton ist rund und frei von Mißklängen. Sogar die Läufe und Verzierungen gelingen ihm ein ums andere Mal fehlerlos und lassen vor Staunen innehalten.
Bei den Sopranistinnen liefern sich zwei ganz gegensätzliche Stimmtypen einen interessanten Wettstreit: Johanna Stojkovic als Emira besticht mit einer vollen, weiblichen Stimme, die viel Wärme ausstrahlt. Sunhae Im in der Rolle Laodices setzt dem einen schlanken, hellen Sopran entgegen, mit starker Leuchtkraft in den Höhen, aber hier und da auch mit mädchenhafter Zurückhaltung. Beide Sopranistinnen brennen zudem ein wahres Koloraturfeuerwerk ab, das sie nicht sinnentleert, sondern voller Emphase vortragen.
Auch der mit recht dunklem Timbre versehene, souveräne Bariton Sebastian Noack und Timm de Jong (Bass) bewegen sich auf ähnlich hohem Niveau. Dieses Ensemble junger Sänger belegt, dass wir uns um den Nachwuchs auch im Barockfach keine Sorgen machen müssen.
Klanglich läßt die Aufnahme, die in Kooperation mit dem WDR entstanden ist, keine Wünsche offen.
Mithin eine Einspielung, die nicht nur für den eingefleischten Fan der barocken Oper ein Muss ist.
Sven Kerkhoff
Besetzung
Johanna Stojkovic, Sopran (Emira)
Sunhae Im, Sopran (Laodice)
Gunther Schmid, Countertenor (Medarse)
Sebastian Noack, Bariton (Cosroe)
Timm de Jong, Bass (Arasse)
Cappella Coloniensis
Ltg. Andreas Spering
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06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
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