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Kantaten für das vollständige liturgische Jahr Vol. X: „Himmelfahrtsoratorium“ (BWV 11, 44, 86, 108)
Info
Musikrichtung:
Barock Kantate
VÖ: 01.04.2010 (Accent / Note 1 CD / DDD / 2009 / Best. Nr. ACC 25310) |
KIRCHENKONZERT
Bei seinem großen, auf 20 Teile angelegten Querschnitt durch das Kantatenschaffen J. S. Bachs ist Sigiswald Kuijken mit La Petite Bande inzwischen bei Folge X angelangt. Es steht eine Auswahl nachösterlicher Kantaten auf dem Programm, von denen die prominenteste das festliche Himmelfahrtsoratorium (BWV 11: „Lobet Gott in seinen Reichen“) ist. Festlich, das heißt: mit Pauken und Trompeten. Aber wer Kuijkens historisch begründeten Ansatz kennt, weiß, dass die solistische Interpretation mit vier Konzertisten und kleiner Instrumentalgruppe zu einem ganz anderen Klangbild führt, als man es von Karl Richter oder auch nur von den Historisten von Nikolaus Harnoncourt bis Ton Koopman kennt. Im Grunde ist das Kirchenmusik im Stil der Brandenburgischen Konzert, also konzertante Kammermusik mit Gesang. Und weil Kuijken nicht der Mann für Interpretationsextreme in Dynamik, Attacke und Tempi ist, klingt es auch nicht nach einer verkleinerten Fassung der größeren Besetzungen. Fein und transparent, dabei überaus klar in der Linienführung klingen die Instrumente. Entsprechend zurückhaltend agieren auch die Sänger/innen, die durch die intensive Zusammenarbeit sowohl als Solisten wie auch im Ensemble sehr gut miteinander harmonieren. Und doch mangelt es nicht an rhetorischer Durchdringung des Notentextes und lebendiger Gestaltung.
Was z. B. auffällt ist der skandierende Duktus, mit dem Kuijken den Eingangschor zur Himmelfahrs-Kantate nimmt. Das wirkt ein wenig retrospektiv, gemahnt von Ferne an den - trotz aller Klangmassen - sachlich-analytischen Stil von Karl Richter, den dieser bei den kontrapunktisch dichten Chören bevorzugte. Freilich klingt Kuijken hier bei weitem nicht so starr - es gibt einen tänzerischen Puls, der das ganze belebt. Allerdings finde ich gerade dieses bekannte Stück im Vergleich mit den inzwischen zwanzig Jahre alten, ebenfalls solistischen Interpretationen von Andrew Parrott und dem Tavener Consort in Punkto Loben und Preisen etwas zu verhalten, Durchhörbarkeit hin oder her. Freilich lässt sich so im Hinblick auf den Finalchor eine Schlusssteigerung erreichen.
In „Sie werden euch in den Bann tun“ fällt die gespannte, beinahe quälende Langsamkeit auf, mit der die beiden von den (schmerzvollen) Oboen begleiteten Sänger die düstere Prophezeiung Jesu über Nachfolge und Verfolgung intonieren. Ein endloser Passionszug nimmt da Gestalt an, in wirkungsvollem Kontrast zu dem noch dunkleren und erregteren folgenden Tutti-Teil „Denn es kömmt eine Zeit …“, wo den treuen Zeugen der Tod verheißen wird. Ansonsten pflegt das Ensembleu in den Arien und Rezitativen das Ensemble einen ziemlich verhaltenen Ausdruck; in der kürzlich erschienenen Matthäus-Passion wirkt das konzentriert, vergeistigt. Hier aber eher ausgebremst. Da dürfte es gerne etwas mehr sein. Dennoch: Es lohnt sich, auf die Details zu achten und den neuen, oft auch provzierend anderen Bach Kuijkens kennenzulernen.
Georg Henkel
Besetzung
Petra Niskaiová: Alt
Christoph Genz: Tenor
Jan Van der Crabben: Bass
La Petite Bande
Sigiswald Kuijken: 1. Violine & Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |