Reviews
Dis wo ich herkomm - Live
Info
Musikrichtung:
Hip Hop
VÖ: 26.03.2010 (EMI) Gesamtspielzeit: 65:31 Internet: http://www.samy-deluxe.de |
Deutscher Hip Hop...
... ist zum Glück viel mehr als die Berliner Szene, jene verunglückten "Ghetto-Kid"-Imitate mit und ohne Maske, dafür in jedem Fall aber Testosteron-Junkies! In jedem Fall haben wir ja auch noch die Nordlichterszene, und unter diesen noch einmal herausragend Samy Deluxe! Nach seinem letzten Album Dis wo ich herkomm und der gleichamigen Biographie ist Samy Deluxe auf Tour gegangen, und hat aus jener Tour auch ein Album gemacht: Dis wo ich herkomm - LIVE! Original-Kommentar auf der Seite eines Internetanbieters:
"Wer Samy Deluxe einmal live gesehen [hat] weiß, dass das sein Element ist. Klar, die im Studio aufgenommen Songs sind schon sehr gut. Doch Samy's Live Performance übertrifft die aus dem Studio um Längen. Dann kommt noch dazu, dass die Musik nicht von der Platte kommt sondern von einer Live-Band. Einfach Großartig. Es bringt ein wenig der Konzertatmosphäre zu einem nach Hause. Meiner Meinung nach ist dieser Konzertmitschnitt besser als das original Studioalbum. Absoluter Pflichtkauf."
Gäbe es dem eigentlich noch etwas grundlegendes hinzuzufügen?!? Nun sicher, da wäre allein einmal der Aufwand, der an Musikern für diese Tour betrieben wurde, und in dieser Menge von Bläsern, Streichern usw. nur opulent genannt werden kann. Gegenüber dem Studioalbum fallen die Songs dann auch wesentlich schwungvoller, fast rockig aus!
Auf ein furioses "Intro", einer Mischung aus "Churchill´s Speech" feat. Helmut Kohl-Imitation und lyrischer Kampfansage kommt mit "Dis wo ich herkomm" quasi die Programmschrift des Samy Deluxe: ein harter und schneller Rap legt sich über eine fast soulige Melodie, die zum Ende mit sogar mit einem Gitarrensolo abschließt. Lyrisch schwebt das ganze zwischen einem Aufruf, sich zu engagieren und einer teilweise unangenehmen Deutschland-Reflexion... "Bis die Sonne rauskommt" verbreitet ein angenehmes Reggea-Feeling, das sich noch bis in die anschließenden "Wer ich bin" und "Hin und Her" hineinträgt; bei beiden ist dann auch zum ersten Mal die gelingende Interaktion von Künstler und Publikum zu spüren, die aber sicherlich nicht das Album definiert oder dominiert, das unterscheidet dann wohl doch den Hip Hop ganz grundlegend vom Rock...
Vor "Wir sind keine Kinder mehr" dann die erste kurze Ansagenpause, und mit dem Song selbst wird die Anfangshitze auch erst einmal ein wenig heruntergekühlt... um dann mit "Oma Song" den flow sich wieder einstellen zu lassen, mit einem Song, "damit die Erinnerung an meine Oma weiterlebt" - Hartemännerklischee Fehlanzeige!
Auch wenn die verzerrte Stimme auf die Dauer nervig wird, kann Samy Deluxe mit "Superheld" zeigen, dass ihm auch Songs jenseits des Hip Hop gelingen, denn das, was hier auf der Bühne geboten wird, diskret mit Hintergrundstreichern verzuckert, ist ein schlichter und gelungener Gitarrenpopsong allerbester amerikanischer Kajüte (ums mit Bugs Bunny zu sagen)! "Übers Geld" kehrt dann aber zum Grundstock Hip Hop zurück, der Übergang zu "Musik um durch den Tag zu komm" gestaltet sich fließend, erst mit "Stumm" zieht der Beat dann auch wieder etwas an, um für "Sowieso schwer..." dann wieder zum Reggea zurückzukehren.
Zum Ende des Album wird die Sache noch mal spannend: "Deshalb" ist die eigentlich einzig gelungene Kombination aus Gitarre und Hip Hop auf diesem Album, "Sprech wie ich sprech" hat einen charmanten jazzigen Einschlag. Dann kommt mit "Weck mich auf" ja eigentlich einer der bekanntesten Deluxe-Songs, der zwar das Publikum zum einzig deutlich vernehmbaren Mitgrölen animiert, sich aber vom Original nur minimal unterscheidet.
Ob der Abschluß des Albums mit dem hyperaktiven "Let´s go" und der zwar ohne jeden Zweifel gelungenen, aber unverbundenen Zugabe "I wanna rock" (Snoop Dogg feat. Samy Deluxe) ein guter ist, darf bezweifelt werden. Insgesamt bleibt der Eindruck von "Dis wo ich herkomm - live" ein gespaltener: Für den Hip Hop-Fan und -Kenner tun sich spannende Details auf, mal jazzige und mal rockige Varianten, häufiger das Abdriften in den Reggea, betont zurückhaltende Streicher - alles immer auf der eindeutigen Basis von Hip Hop! Für den Nichtkenner wird der Hip Hop einfach zu dominant, die Varianz zu gering sein, da wäre vielleicht mehr drin gewesen, gerade auch mit der großen Besetzung, die auf dem Album nicht richtig tragend wirk.
Trotzdem tut es gut zu wissen, dass intelligenter Hip Hop in Deutschland gelingen kann: Dank dafür wieder einmal an Samy Deluxe!!
Andreas Matena
Trackliste
1 | Intro | 3:01 |
2 | Dis wo ich herkomm | 4:56 |
3 | Bis die Sonne rauskommt | 3:31 |
4 | Wer ich bin | 4:17 |
5 | Hin und Her | 5:09 |
6 | Wir sind keine Kinder mehr | 4:40 |
7 | Oma Song | 5:25 |
8 | Superheld | 4:01 |
9 | Übers Geld | 2:18 |
10 | Musik um durch den Tag zu Komm | 4:48 |
11 | Stumm | 3:21 |
12 | Sowieso schwer - Blick nach vorn | 3:21 |
13 | Deshalb | 3:19 |
14 | Sprech wie ich sprech | 3:27 |
15 | Weck mich auf | 4:10 |
16 | Let´s go | 1:50 |
17 | I wanna rock (Snoop Dogg feat. Samy Deluxe) | 3:57 |
Besetzung
Rudy Valentino: guitar
Keith Powell: bass
Michael Grimm: drums
Kirk MacDowell, Gilian Nathan Buitendrop: keys
Alex Prince, Miss Marx, Hanife Sylejmani: background vocals
Hans-Christian Stephan: Trompete
Alexander Eiserbeck: sax
Jann Hansen: Posaune
Christoph Latzel: Horn
Bettina Hahn, Olaf Kindt: Violine
Marina Druzhinina: Viola
Matthias Johansen: Violoncello
Jella Großmann: Kontrabass
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |