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Reviews

Krenek, E. (Rademann)

Sechs Motetten nach Worten von Franz Kafka op. 169 u. a. Chorwerke


Info

Musikrichtung: Klassische Moderne Chor

VÖ: 26.02.2010

(Harmonia Mundi / Harmonia Mundi 2009 / Best. Nr. HMC 902049)

Gesamtspielzeit: 74:09

STRENGE SINNLICHKEIT

Nicht nur die stilistische Wandlungsfähigkeit von Ernst Krenek (1900 -1992) hat dafür gesorgt, dass sein Werk nicht die ihm gebührende Aufmerksamkeit erlangt hat. Auch die Entwurzelung durch das Exil - er emigrierte nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland in die USA - hat es ihm wie vielen anderen verfemten Komponisten seiner Generation erschwert, nach dem 2. Weltkrieg wieder Fuß in seiner Heimat zu fassen. Obwohl er neuen Kompositionsmethoden wie der Zwölftontechnik aufgeschlossen begegnete, hat er sich doch nicht einer Schule zugehörig gefühlt. Die Technik war dem Individualisten stets Mittel zum musikalischen, künstlerischen Zweck.

Kreneks Originalität kann man auf dieser herausragenden Chorplatte entdecken. Von den 1920er bis in die späten 1950er Jahre reicht die Entstehungszeit der ausgewählten Werke. Dem „surrealen“ Libretto der Sechs Motetten nach Worten von Franz Kafka begegnet Krenek mit einer spannungsvoll durchbrochenen und mehrschichten, dabei in jedem Moment einsichtigen polyphonen Musik. Dieses Werk hat der RIAS Kammerchor zu seinem zehnjährigen Bestehen 1959 in Auftrag gegeben - es versteht sich, dass die heutigen Sänger/innen sich dieser unvermindert modernen, bei aller Abstraktion beredten Musik mit höchster Kompetenz annehmen; die Intonationssicherheit ist bewundernswert.
Gegen diese kühnen Architekturen wirken die drei freien, „atonalen“ A-Capella-Chöre op. 22 aus dem Jahr 1923 in ihrem Satz noachgerade traditionell, wenngleich Kreneks Gespür für eine sinnreiche Harmonik schon voll entwickelt ist. Die Musik klingt schön, ihe Schroffheiten sind nicht destruktiv, sondern aufregend und sprachgewaltig. Außerdem zeigt ein launiges Stück wie Dir Römer, dass der Komponist viel Sinn für Humor hatte.
Die barocke Lyrik der Kantate von der Vergänglichkeit des Irdischen wird von Sopran und Chor (teilweise mit Klavierbegleitung) wieder im Gewand regulierter Zwölftönigkeit präsentiert, wobei Krenek in diese zwölftönige Musik immer wieder tonale Reminiszenzen eingewoben hat. Die Klangwelt des 20. Jahrhunderts verschmilzt mit der Rhetorik des 17. Jahrhunderts. Schütz, Weckmann, Buxtehude oder Bach hätten diese Vanitasvisionen wohl auch nicht eindrucksvoller vertonen können.
Solch retrospektive Anmutungen finden sich auch in den streng geformten Five Prayers, deren konstruktiver Rigorismus trotz - oder wegen? - ihrer schönen Dissonanzen überraschend an die Musik des 16. Jahrhunderts erinnert. Krenek selbst hat sich immer wieder sehr respektvoll mit den Zeugnissen der Vergangenheit auseinandergesetzt. Dafür ist seine diskret Bearbeitung des Lamento della Ninfa von Claudio Monteverdi ein gutes Beispiel. Das Männerterzett ist zum Chor geweitet, ein Klavier übernimmt den Continuopart. Ansonsten hat Krenek das herrliche Stück unangetastet gelassen und ganz auf seine substantielle Schönheit vertraut.

Caroline Steins Sopran wirkt bei manchen der anspruchsvollen, zackigen Intervallsprünge in der Kantate etwas scharf, aber das ist wohl auch eine Absicht des Komponisten. Der RIAS-Kammerchor macht dagegen einem seiner Lieblingskomponisten alle Ehre: Homogenität, Tonschönheit und Klanggenauigkeit sind wieder einmal mustergültig.



Georg Henkel

Trackliste

01-06 Sechs Kafka-Motetten op. 169
07-13 Five Prayers op. 97
14 Kantate von der Vergänglichkeit des Irdischen op. 72
15-17 Monteverdi & Krenek: Lamento della Ninfa
18-20 Drei gemischte A-Capella-Chöre op. 22
21-22 Two Choruses on Jacobeam Poems op. 87

Besetzung

Caroline Stein: Sopran
Philip Mayers: Klavier

RIAS Kammerchor

Hans-Christoph Rademann: Leitung
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So bewerten wir:

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