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Magnificat – Lutherische Messe BWV 235 u. a.
Info
Musikrichtung:
Barock Geistliche Musik
VÖ: 16.10.2009 (Mirare / Harmonia Mundi CD / DDD + DVD / 2009 / Best. Nr. MIR 102) Gesamtspielzeit: 56:56 |
BEGLÜCKEND
Dass Philippe Pierlot für die Klangfarben und Proportionen der Musik Johann Sebastian Bachs ein fabelhaftes Gespür hat, hat er zuletzt mit drei Einspielungen von Kantaten sowie einer „Lutherischen Messe“ bewiesen. Ohne in Besetzungsfragen einfach nur dogmatisch zu sein, hat er dabei auf einen klassischen Chor zugunsten einer solistischen Vokalbesetzung verzichtet. Die aber glänzt auch auf der neuesten Produktion mit dem Magnificat und der Messe BWV 243 sowie zwei dazu passenden Orgelstücken durch fantastische Homogenität in den Ensembles und beseelte Soli (wirklich berückend v. a. Maria Keohane im „Quia respexit“, großes Lob auch an den himmlisch aufspielenden Oboisten).
Pierlot gelingt es, sein ganzes Ensemble zugleich profund und durchsichtig klingen zu lassen. Weder überzieht er Tempi und Artikulation, wie es manche historisch informierten Kollegen, z. B. Thomas Hengelbrock, ganz gerne tun, noch begrenzt er die Energien, die in der Musik schlummern, durch eine vermeintliche objektive Darstellung der Struktur, wie sie Philippe Herreweghe immer wieder beschwört. Der eine überzieht den Effekt durch eine letztlich mechanisch anmutende Überbrillanz, der andere riskiert zu wenig Ausdruck.
Pierlot hingegen versetzt den Hörer gleich mit den ersten Takten des Magnificats in freudige (aber nicht hysterische) Festtagsstimmung. Seine Solist/innen (Lob für an den ersten Einsatz der Soprane, der ganz unangestrengt klingt!) agieren mit ekstatischem Schwung und lassen den Vokalsatz strahlen. Die Trompeten setzen blitzende Akzente. Alles pulst organisch.
Dass die Sänger/innen bei den Chören mit dem vergleichsweise üppig besetzen Instrumentalensemble des Ricercar Consorts (14 Streicher plus (Holz)Bläser) in einen konzertanten Wettstreit treten, führt zu einer Dramatik, die nicht von klanglicher Masse, sondern von musikalischer Klasse im Detail lebt.
Nicht minder überzeugend die Arien, mit deren klarer Rhetorik die Interpreten in glückliche Resonanz gehen. Und spätestens dann, wenn der Bass Stephan McLeod im Schlusschor seine Mitstreiter/innen für einen kurzen Moment emphatisch überflügelt (aber ohne auszubrechen), dürfte er auch noch den zurückhaltendsten Hörer mitreißen.
Eine leicht hallige Kirchenakustik sorgt nicht nur hier, sondern auch bei der kurzen Messe BWV 235 für die akustische Politur. Sowohl das erhabene Kyrie wie auch das prächtige Gloria hat Bach durch das Parodieverfahren aus vorhandenen Kantatensätzen gewonnen. Der Clou liegt darin, dass man dieses kunstvolle Recycling gar nicht bermerkt.
Zusätzlich zum ausführlichen Beiheft liegt der Produktion noch eine DVD bei, die die Produktion des Magnificats dokumentiert. Sie zeigt vor allem, wie viele Mühen und professionelle Schleiferei nötig sind, um ein solches Ergebnis zu erreichen.
Angesichts der vorliegenden, durchweg sehr erfreulichen Einspielungen bleibt nur zu wünschen, dass die Künstler sich weiterer Bachkantaten und auch -oratorien (Weihnachtsoratorium und Johannes-Passion) annehmen, die noch gar nicht oder selten in der kleinen Besetzung aufgenommen wurden.
Georg Henkel
Trackliste
13 Fuga sopra il Magnificat BWV 733 4:24
14-19 Missa BWV 235 26:07
20 Präludium und Fuga in G BWV 541
Auf der Bonus-DVD befindet sich eine Dokumentation zu Konzert und Aufnahme 30:00
Besetzung
Carlos Mena: Altus
Hans-Jörg Mammel: Tenor
Stephan McLeod: Bass
Francis Jacob: Orgel
Ricercar Consort
Philippe Pierlot: Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |