Reviews

Melanie & the secret Army

Wahre Lügen

Info Musikrichtung: Punk’n’Roll VÖ: 21.01.2009 (Sunny Bastards / Broken Silence) Gesamtspielzeit: 39:48 Internet: http://www.myspace.com/melaniethesecretarmy

Ob es gut ist, sich im ersten Titel als Band gleich mit der Abkürzung MSA vorzustellen? Immerhin steht das Kürzel für die gesamte bundesrepublikanische Gesellschaft bis 16 Jahre - und dann sicher noch einige Zeit darüber hinaus für den „Mittleren Schulabschluss“. Und der Weg von dieser entscheidenden Prüfung bis zum punkig raus gerotzten Rock’n’Roll ist dann doch ein ganz erheblicher.

Wer aber den Weg am Namen vorbei findet, erlebt eine in verschiedener Hinsicht sehr ungewöhnliche und daher eigenständige Punk-Band. Der Grundansatz zwischen klassischem Punk, Rose Tattoo-artigem Streetrock und schwedischem Rotz’n’Roll ist zwar schon x-fach durchdekliniert worden, aber noch nie mit einer solchen Stimme.

Namensgeberin Melanie sorgt optisch zwar nicht für feuchte Männerträume und taugt kaum zum Pin up Girl für die tätowierte Jugend von heute, versetzt ihrer Band mit einer Röhre, die an die großen deutschen Rock Ladys a la Inga Rumpf oder Jutta Weinhold erinnert, aber einen Leben spenden Schuss akustischer Erotik.

Auch textlich passt man sich in kein Klischee ein. Gut, der eröffnende Signature-Song und die etwas schlichte Presseschelte in „Held der Tastatur“ holt das Thema „Ach wir armen, unschuldig Verfolgten“ aus der Onkelz-Mottenkiste, aber ein derart positives und klares Bekenntnis zur Mutterschaft wie „Engel“ erwartet man eher von einer CDU-Familieministerin als einer Punk-Frontfrau. Offensichtlich denkt man hier selber und repetiert nicht einfach die Szene-Lehre. Und wenn Melanie in „Wie schön Dich heut zu sehen“ über tratschende Weiber lästert, dann macht sie bereits in der Einleitung deutlich, dass sie damit nicht nur auf gutbürgerliche, (angeblich) hirntote Spießerzicken zielt, sondern auf Vorgänge, die sie aus dem eigenen Umfeld kennt.

Musikalisch (und manchmal auch inhaltlich) konservativ machen Melanie & the secret Army den Flickenteppich der deutschen Punk/Rock-Szene deutlich bunter.

Norbert von Fransecky