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Zurück nach vorn
Info
Musikrichtung:
Deutscher Schlager
VÖ: 23.06.2003 (Koch Universal) Gesamtspielzeit: 50:22 Internet: www.nino-de-angelo.de |
"Nino de Angelo, das ist doch der mit Jenseits von Eden, oder?" Richtig, denn auch 20 Jahre nach dem Riesenerfolg aus der Feder von Drafi Deutscher ist der Name des inzwischen 40-jährigen noch gegenwärtig, obwohl es in den letzten Jahren musikalisch ruhig geworden ist um den Sänger mit dem sympathischen Lächeln. Vielmehr kam er durch seine Krebserkrankung und die Trennung von seiner Ehefrau in die Schlagzeilen. Vergessen sind auch fast schon die Hits, die er ausser der deutschen Version von "Guardian Angel" hatte. Deshalb war es vielleicht einfach an der Zeit, die Medienpräsenz durch die Herausgabe einer "Best of"-Compilation mit überarbeiteten Versionen seiner Erfolge aus den 80ern und 90ern anzukurbeln. Hierbei kam heraus das Album "Zurück nach vorn", produziert von Dieter Falk, der in der deutschen und internationalen Popszene zu den erfolgreichsten seiner Zunft zählt.
Im einzelnen:
Bei "Doch Tränen wirst du niemals sehen" kommt schon der Verdacht auf, Nino und seine Musik sind erwachsener geworden. Statt der 80er-Jahre-typischen Keyboards beginnt ein summender Sänger, dann folgen trockene Drums, die an das Maffay-Album Heute vor dreißig Jahren erinnern, und eine reifere (um nicht zu sagen: angenehm ältere) Stimme übernimmt ihren Job, unterstützt durch einen ebenfalls leicht ruhigeren Background. Ein gelungener Song, der neugierig macht auf die folgenden Cuts. Und schon kommt der Sänger mit der Tür ins Haus und präsentiert uns seinen größten Erfolg "Jenseits von Eden", wiederum in "erwachsenem" Arrangement mit Streichern und Piano. Einem sehr ruhigen Einstieg erfolgt im letzten Drittel ein Anstieg an Volumen und Drive, der dem Song gut zu Gesicht bzw. Gehör steht.
"Samuraj", einem Dieter Bohlen-Produkt der 80er zu einem Fernseh-Mehrteiler ("Rivalen der Rennbahn"), wird lediglich eine Minute des ruhigen Eingewöhnens gegönnt, bevor ein unaufdringlicher, aber doch in die Beine gehender Groove dafür sorgt, dass auch Tanzflächennutzer zur Klientel dieses Albums gezählt werden müssen. Diese Richtung schlägt auch "Ich sterbe nicht noch mal" ein, liegt aber - auch gerade wegen der Keyboardeinsätze - etwas näher an der Urversion, denn auch hier wird gut tanzbare Popmusik deutscher Sprache geboten (der Begriff "Schlager" könnte hier durchaus deplatziert wirken).
Spätestens seit Erfindung der TV-Casting-Shows wissen wir, dass die meisten Sänger(innen) es nicht schaffen, Herz und Seele in einen ruhigen Song zu legen. Wenn jemand diesbezüglich Nachhilfeunterricht braucht, kann nur das mehrfache Anhören von "Nie wieder lieben" empfohlen werden. Vor einem dezenten Background wird hier ein Querschnitt durch (fast) alle Gefühle und Temperamente gegeben, von druckvoll bis geflüstert, wenn Nino einer Freundin nach dem Ende einer Liebe zur Seite steht. Typisch italienische Phasen fallen auf, wenn der Titel gelegentlich an Zucchero erinnert, aber in der gesanglichen Umsetzung kommt hier keiner an De Angelo vorbei, denn herrlich tief gehen seine Koloraturen, die absolut authentisch und ehrlich herüberkommen, denn dieser Titel stammt aus seiner eigenen Feder.
Hip hop-Pop-Grooves sind das Bindemittel von "Lass uns fliegen", das ein wenig an die Werke von Laith Al-Deen erinnert. Eine absolut zeitgemäße Aufmachung. Dass Nino de Angelo ein Faible für das Fliegen hat, beweist auch "Flieger", wieder mal ein Bohlen-Werk, das bei seiner Veröffentlichung zeitgleich mit "Samuraj" die Hitparaden bevölkerte. Aber wie kommt der Künstler dazu, sich ein Werk von Altmeister Roy Orbison auszusuchen? Vielleicht gar kein schlechter Einfall, denn die Älteren kennen noch das Original, die Jüngeren die 2003er Version von Celine Dion, aber keiner kennt eine deutsche Version (oder hatte nicht Juliane Werding schon mal Hand angelegt an den Song?). Ein flotter Disco-Groove bietet mit einer twängenden Gitarre den passenden Background. Auffallend ist auch bei dieser Produktion, dass die Stimme des Sängers ständig unangefochten die Führung innehat und die Hintergrundmusik wirklich im Hintergrund bleibt, was heutzutage leider fast ständig umgekehrt genutzt wird, um die Gesangsqualitäten zu polieren. Doch das hat Nino de Angelo nicht nötig!
Man fühlt sich schon recht stark an U2 erinnert, wenn "Atemlos" sein 43 Sekunden langes Intro abspult, und auch während des Liedes legt die Gitarre diese Verbindung. Angenehm kommt auch hier die stimmliche Wärme bei den tiefen Passagen zum Vorschein und schmeichelt den Ohren. Doch auch hier ist der Gang zur Tanzfläche angebracht (bis die U2-Fans merken, das Deutsch gesungen wird). Dunkle Wolken ziehen auf, wenn sich die Frage "Wo sind die Engel" stellt. Die Komposition des Sängers deutet auf die schweren Tage und Situation in seinem Leben und ist atmosphärisch sehr dicht aufgebaut. Ein recht kalter Background und eine wohl zurecht leidende Stimme bilden den einschneidenden Kontrast zu einem eher angenehm zu hörenden Album. Aber vielleicht ist es gerade dieser Punkt, der mit dem Titel des Albums eine Einheit bildet.
Eingerahmt werden die Songs der CD von dem Titel "Und wenn ich abends einschlaf", als Song # 1 als Solo von Nino de Angelo, als Song # 13 als Duett mit Francine Jordi. Eine nette Idee, denn die Stimme der zierlichen Sängerin passt sehr gut zum Sänger und gibt dem Titel noch ein nicht unerhebliches Maß an Glanz und Glitter.
Fazit:
Nino de Angelo war für viele ein Sänger "aus der Vergangenheit", da er in den letzten Jahren leider doch an Präsenz verloren hatte. Für andere wiederum war er der beste deutsche Schlagersänger. Jetzt versucht er mit diesem Album an seine früheren Erfolge anzuknüpfen, und es würde mich nicht wundern, wenn man in nächster Zeit wieder mehr von dem Sänger italienischer Abstammung hören würde, denn dass er zur ersten Garde der deutschsprachigen Sänger gehört, hat er mit dieser CD bewiesen. Seine Stimme ist reifer, volumiger und facettenreicher geworden und bietet ihm daher noch mehr Möglichkeiten, als es sein bisheriges Stimmvolumen eh bereits erlaubte. Er ist in der Lage, die besungenen Emotionen sehr gut umzusetzen und Herz und Seele in die Songs zu legen.
Dass er mit Dieter Falk einen erfahrenen Produzenten gefunden hat, beweisen die gelungenen Remakes der älteren Erfolge, denen man jedoch ihre Charaktere gelassen hat. Leider fehlen noch ein paar seiner Charterfolge auf dieser Scheibe, aber auch die 13 Songs dieses Albums vermitteln einen sehr guten Eindruck.
Lothar Heising
Trackliste
1 | Und wenn ich abends einschlaf | 3:56 |
2 | Doch Tränen wirst du niemals sehen | 3:51 |
3 | Jenseits von Eden 2003 | 3:28 |
4 | Samuraj | 4:15 |
5 | Sohn der Straße | 4:08 |
6 | Ich sterbe nicht noch mal | 3:45 |
7 | Nie wieder lieben | 3:40 |
8 | Lass uns fliegen | 3:40 |
9 | I drove all night (Ich fahr die Nacht) | 3:54 |
10 | Flieger | 3:29 |
11 | Atemlos | 4:28 |
12 | Wo sind die Engel | 3:53 |
13 | Und wenn ich abends einschlaf | 3:55 |
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |