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Sinfonien
Info
Musikrichtung:
Klassik
VÖ: 01.01.2004 Capriccio / Delta Music (CD DDD (AD 2003) / Best.Nr. 67 073) Gesamtspielzeit: 63:12 Internet: Capriccio Concerto Köln |
LOHNENDES ENGAGEMENT? CONCERTO KÖLN SPIELT GOSSEC
Dass Concerto Köln immer für eine spannende Ausgrabung gut ist, stellt kein Geheimnis dar. Dall´Abaco, Eberl, Vanhal, Brunetti u.a. sind so wieder zu Ehren gekommen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil das in der hsitorischen Aufführungspraxis versierte Ensemble sich all dieser vermeintlichen Kleinmeister der Musikgeschichte mit viel Engagment und Liebe zum Detail annahm, sie unter Hoch-Spannung setzte.
Diese verdienstvolle, stets mitreißende Art des Musizierens pflegt das Orchester unverändert. Jedoch: Auch unter ihren Händen wird nicht alles, was da in den Archiven schlummert, zu Gold gesponnen.
Der gebürtige Belgier Francois-Joseph Gossec (1734-1829) ist allerdings kein Unbekannter. Auch heute noch ist er wegen seines (show-)effektvollen Requiems bekannt und außerdem gilt er als DER Komponist der französischen Revolution. Hatte er sich zunächst auch unter der Protektion Jean-Philippe Rameaus in adeligen Diensten verdingt, scheute er sich doch nicht, alsbald nach dem Umsturz fleißig Revolutionshymnen zu komponieren. Seine wechselvolle Biographie, Spiegelbild einer bewegten Epoche, findet in nahezu einmaliger Weise ihren Niederschlag in Gossecs symphonischem Schaffen, komponierte er doch das erste dieser Orchesterwerke schon 1756, das letzte 1809. Der Wechsel von der Vorklassik bis zum romantischen Stil kann hier also ideal nachvollzogen werden.
Diese Möglichkeit hat sich dann auch Concerto Köln nicht entgehen lassen: Die vier Sinfonien stammen aus den Jahren 1762, 1774, 1784 und 1809. Während die erste sich noch konventionell und von den Werken Carl Stamitz beeinflußt den italienischen Vorbildern verhaftet zeigt, dabei aber eher unentschlossen und ohne merkliche Entwicklung mit Kontrastwirkungen spielt, ist die Sinfonie "La Chasse" ("Die Jagd" - Vorbild für viele spätere Jagdsinfonien) mit ihrer farbigen Besetzung samt der originellen Hörnereinsätze und ihrer programmatischen Gestaltung deutlich reizvoller.
Das dritte Werk basiert auf Themen des von Gossec komponierten Feenballets "Mirza", welches sich damals großer Beliebtheit erfreute. Die Behandlung der Themen ist jedoch wenig innovativ und mehr auf den kurzfristigen Effekt angelegt, als um satztechnische oder gestalterische Feinheiten bemüht. Insgesamt erscheint bei Gossecs Stücken die Rasterung oft recht grob, der Hang zu Wiederholungen kleinerer Einheiten ist unverkennbar und das Entwickeln von übergeordneten Themen und Strukturen nicht unbedingt seine Stärke. Ein Problem, das etwa auch die Symphonien des Gossec-Zeitgenossen Mehul betrifft.
Die abschließende Symphonie "á 17 parties" hingegen zeigt einen deutlich einfallsreicheren Umgang mit der Vielfalt des melodischen Materials und den Möglichkeitend es groß bestezten Orchesters. Vor allem die differenziert Behandlung der Bläserstimmen fällt auf. Hier vermischen sich reizvoll und atmosphärisch dicht die Ideen von Komponisten der früheren (Haydn, Mozart, Gluck), mit jenen der neueren Epoche (v.a. Beethoven), alles verbunden mit einem noch immer revolutionären musikalischen Impetus, einer Neigung zur großen Geste und zum Vorwärtsdrängenden.
Concerto Köln präsentiert dieses Portrait einer Zeitenwende mit gewohnt scharfer Akzentuierung, Zuspitzung der dynamischen Kontraste, zügiger Tempowahl und großem Gespür für die rhythmischen Abstufungen. Dabei hat der Klang des Orchesters, vergleicht man ihn mit der Einspielung einer Gossec-Sinfonie auf dem früheren Album "La Prise de la Bastille" (Capriccio 1989, Best.Nr. 10 280), einiges von seinem rauhen Charme verloren, dafür aber mehr symphonische Rundung gewonnen. Technisch stellen diese Werke an das perfekt aufeinander eingespielte Ensemble keine übermäßigen Anforderungen. Unsicherheiten oder Wackler sucht man dann auch vergebens.
Jedoch: Nach gut einer Stunde Gossec muß man konstatieren, dass eher ein musikhistorisch-dokumentarisches Album entstanden ist, aber keines, bei dem sich die Sehnsucht nach weiteren Gossec-Einspielungen einstellen würde. Dazu ist seine Musik trotz aller an ihr ablesbaren Veränderung dann doch oft zu eindimensional und die ihr an mancher Stelle innewohnenden innovativen Gedanken werden nicht zuende gedacht, sondern bleiben schablonenhaft.
Sven Kerkhoff
Trackliste
4-7 Symphonie à grand orchetsre "La Chasse" 14:31
8-10 Symphonie concertante du ballet de "Mirza" 11:08
11-14 Symphonie à 17 parties 24:06
Besetzung
Ltg./Konzeption Andrea Keller, Werner Eberhardt
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |