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Buxtehude, D. (Stylus Phantasticus)

Ciaccona: il mondo che gira

Info Musikrichtung: Barock VÖ: 01.01.2004 Alpha / Note 1 (CD DDD (AD 2002) / Best. Nr. Alpha 047) Gesamtspielzeit: 60:24 Internet: Alpha

Von dem von Dietrich Buxtehude (1637-1707) gepflegten stylus phantasticus ist in dieser Ausgabe schon an anderer Stelle die Rede (Buxtehude, Orgelwerke Vol. 1 mit Bine Bryndorf). Hier nun findet sich eine exemplarische Auswahl kammermusikalischer Stücke (besetzt mit Violine, Viola da Gamba und Basso Continuo), die auf dieser Kompositionstechnik basieren. Und während die CD mit Orgelmusik uns den bei aller Phantasie doch stets würdevollen Buxtehude vorstellt, lodert bei dieser Aufnahme ein Feuer in der Musik, das so gar nicht zum vermeintlich kühlen, protestantischen Komponisten passen will.
Da steigern sich die ostinaten Bässe zu extatischen Verwirbelungen, geraten die Motive in scheinbare Unordnung, verschlingen sich die Linien und aberwitzigen Variationen ineinander. Das stampft und tanzt und bebt, als wäre Buxtehude ein verkappter Rockstar. Und es macht ungeheur Spaß, bei dieser Entdeckung einer neuen, unvermuteten Seite dabei zu sein.

Das Ensemble Stylus Phantasticus spielt glut- und temperamentvoll, wie man noch selten Kammermusik des Barock gehört haben dürfte. Dabei erscheint dennoch keine Passage überreizt oder angestrengt. Vielmehr behalten die Sätze trotz aller Intensität ihren spielerischen, "swingenden" Charakter. Dieser Krafteinsatz und die straffen Tempi verlangen ein hochvirtuoses Spiel, das die Ensemblemitglieder perfekt beherrschen und es schaffen, trotzdem noch ideal aufeinander zu hören und sich die musikalischen Bälle zuzuwerfen. In der Continuo-Begleitung gelingen sogar einfallsreiche, überzeugend gesetzte Verzierungen.

Die CD findet ihren Rahmen durch zwei Stücke mit Gesang. In der Kanatate "Herr, wenn ich nur dich hab´" besticht Maria Christina Kiehr durch einen sicheren, reinen Sopranton voll schwärmerischer Innigkeit. Das abschließende gesitliche Konzert für Bariton, 2 Violinen und Basso Continuo gestaltet hingegen Victor Torres weit weniger intensiv und überzeugend, als seine instrumentalen Mitstreiter, seine Interpretation bleibt doch etwas eindimensional.
Bei den Instrumentalwerken finden sich zwei, die ursprünglich für die Kirchenorgel geschrieben waren: Die berühmte Passacaglia d-moll (mit ihrer mystischen Zahlensymbolik) und die Chaconne e-moll. In diesen Bearbeitungen sind die Werke kaum wiederzuerkennen, soviele Facetten werden ihnen hier abgerungen.
Ferner werden vier Sonaten Buxtehudes vorgestellt: Die Sonate F-Dur mit ihrer wechselnden Besetzung ist ein quecksilbriges, feinsinniges Stück. Die Sonate a-moll hingegen ist ein Werk von überwältigendem Einfallsreichtum und mit fast exzentrischen Steigerungen. Die Sonate g-moll zeigt eine verblüffende Geschlossenheit und reizt die Möglichkeiten von Chaconne und Fuge bis zum letzten aus, wie es schließlich auch die Sonate E-Dur tut, in welcher Buxtehude zudem verstärkt auf Kontrastwirkungen setzt und den Hörer ein ums andere Mal zu verblüffen versteht.

Ergänzt wird das ganze mit einer Sonate von Buxtehudes norddeutschem Zeitgenossen Dietrich Becker (1623-1679). Seine Sonate für 2 Violinen und Viola da Gamba weist ihn durchaus als Komponisten von bemerkenswerten Fähigkeiten aus. Besonders der feinstufige, dennoch expressive Schlußsatz läßt dabei aufhorchen.

Die Tontechniker haben dieses durchgehend aufregende, mitreißende Musikereignis außerordentlich plastisch eingefangen, das Booklet überzeugt einmal mehr mit einer Fülle von Informationen und durch seine ansprechende Aufmachung.
Eine CD also, die wahrscheinlich bald schon weit mehr sein wird, als ein Geheimtip - für mich jedenfalls (trotz harter Konkurrenz) der Favorit des Monats!

Sven Kerkhoff