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Motets pour le Grand Dauphin
Info
Musikrichtung:
Barock Motette
VÖ: 01.02.2009 (Alpha / Note 1 / CD / DDD / 2007 / Best. Nr. Alpha 138) Gesamtspielzeit: 67:26 |
CHARISMATISCH
Beim Anhören dieser Aufnahme versteht man sogleich, warum Ludwig XIV. die Musik von Marc-Antoine Charpentier so sehr schätzte, dass er bei Gelegenheit ausschließlich dessen Werke zu hören wünschte: Was die Vielschichtigkeit und den Gestaltreichtum von Charpentiers Musik angeht, überragt sie das Gros seiner komponierenden Zeitgenossen.
Ideal wird in seinen Kompositionen französische Eleganz durch italienische Ausdruckskraft befeuert, was damals freilich quer zum konservativen Stilempfinden stand. Vielleicht war es darum nicht ganz unpassend, dass Charpentier trotz seiner Begabung kein reguläres Amt bei Hofe bekleidete und für die Mitglieder der königlichen Familie gewissermaßen inoffiziell tätig war.
Für den musikbegeisterten Thronfolger, den Grand Dauphin, komponierte er eine Reihe von Motetten in exquisiter instrumentaler und vokaler Besetzung. Eine Auswahl davon wird vom Ensemble Pierre Robert zu Gehör gebracht. Erstaunlich, wie es dem Komponisten immer wieder gelingt, in der kleinen Form große musikalische Energien zu entfalten. Sein Gespür für formale Spannungsverläufe, effektvolle Besetzungs-Variationen sowie ausdrucksvolle Melodieführung und harmonische Farben zeigt sich vor allem in den sehr umfangreichen Motetten Gratiarum actiones pro restitua delphini salute oder Supplicatio pro defunctis , die in ihrer Verbindung von klanglicher Intimität und reicher Faktur mustergültige Beispiele für musikalische Andachten sind.
Die hingebungsvolle Supplicatio an die Gottesmutter für die Armen Seelen im Fegefeuer ist gewiss ein Höhepunkt aus dem umfangreichen Schaffen des Komponisten. Durch die großzügige Binnengliederung schafft Charpentier immer wieder Ruhepunkte, in denen die Zeit stillzustehen scheint. Dann wieder setzt er mit wenigen Stimmen und rhetorisch genau platzierten Farben spannungsvolle Akzente. Der fromme Text wird in der Musik entfaltet, so dass man ihn beim Hören wie eine Reihe von kostbar ausgestalteten Räumen durchschreiten kann.
Frédéric Desenclos hat wie schon bei der Aufnahme mit Motetten für Karwoche Sänger/innen und Instrumentalist/innen um sich versammelt, die nicht nur stilsicher, sondern auch mit intensivem individuellen Ausdruck singen. Diese mehr als dreihundert Jahre alte Musik erreicht aufgrund des klanglichen Charismas der Interpreten auch den modernen Hörer mühelos. Noch ein Gelegenheitswerk wie der Dank für die Genesung des Prinzen, der das Programm beschließt, kann daher durch seine schiere musikalische Schönheit glänzen.
Klug konzipiert ist das Programm insgesamt: Kurze Orgelstücke von Louis Marchand setzten zwischen die dichten Stücke Charpentiers willkommene Zäsuren und präsentieren auch Dank der Tontechnik die barocke Picard-Orgel der Basilika von Tongres in Belgien von ihrer besten Seite.
Georg Henkel
Trackliste
1 | Precatio pro filio Regis (H. 166) | 8:10 |
2 | Fugue sur les anches (Louis Marchand) | 1:55 |
3 | Sola vivebat in antris (H. 373) | 7:21 |
4 | Fond d'orgue (Louis Marchand) | 1:47 |
5 | Supplicatio pro defunctis (H. 328) | 11:33 |
6 | Tierce en taille (Louis Marchand) | 2:45 |
7 | Quemadmodum desiderat cervus (H. 174) | 13:05 |
8 | O Salutaris hostia (H. 248) | 3:26 |
9 | Fugue (Louis Marchand) | 1:41 |
10 | Gratiarum actiones pro restitua delphini salute (H. 326) | 15:43 |
Besetzung
Leitung und Orgel: Frédéric Desenclos
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |