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Die Aeolsharfe
Info
Musikrichtung:
Wiener Klassik Oper
VÖ: 25.02.2009 (Carus / Note 1 / 3 CD / DDD / 2008, live / Best. Nr. 83.220) Gesamtspielzeit: 148:58 |
DIE HARFE AUS DER PROVINZ
Orchesterdirektor der Oper in Stuttgart wäre er gerne geworden, doch endete seine Karriere ohne diesen erstrebten Höhepunkt dort, wo sie ihren Anfang genommen hatte - im schwäbischen Biberach, nicht gerade der Mittelpunkt der musikalischen Welt. Für Biberachs kleines Theater schrieb Johann Heinrich Knecht (1752-1817) mehrere Singspiele und Opern und war dort im übrigen als Lehrer und Musikdirektor tätig. Aus der kurzen, hoffnungsvollen Phase seines Aufenthalts in Stuttgart stammt seine Oper "Die Aeolsharfe". Die von Nikolaus Remmele verfasste Geschichte dreht sich um eben jene, wie von Geisterhand musizierende Windharfe, die den König Hierokles so beindruckt, dass er eine Priesterin bestimmt, die das Instrument hegen und bewachen soll. Die Wahl fällt Melilla, die Tochter des Königs. Ihr aber gelingt es nicht, die Harfe vor dem Zugriff des barbarischen Seefahreres Selim zu schützen, dessen rauem Charme sie zudem sogleich erliegt. Melillas Versagen bringt ihr das Todesurteil ein und Selim gerät mit seiner Mannschaft in Gefangenschaft. Doch - wie es sich ziemt - am Schluss wendet sich dank der versöhnenden Kraft der Musik (in Gestalt ebenjener Harfe) alles zum Guten, so dass Selim und Melilla Gnade finden und ihrer Heirat nichts mehr im Wege steht.
Das Sujet ist nicht kruder als andere Opernlibretti und Geschichten rund um zaubermächtige Instrumente. Selbige waren um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert überaus populär. Die Verse sind Remmele allerdings etwas holperig geraten und wirken in ihrem bemühten Hang zu altertümlicher Diktion fast rührend.
Die von Knecht dazu erdachte Musik lässt vor allem in einem Punkt aufhorchen: Seine Behandlung der Orchesterfarben ist erstaunlich differenziert und effektvoll, insbesondere was den Einsatz der Bläserstimmen angeht. Allerdings bleibt man an der Kennzeichnung des Werkes als "Romantische Oper" hängen. Denn mit der Oper der deutschen Romantik hat das Stück wenig gemein. Knecht hängt vielmehr seinen großen Vorbildern Haydn und Mozart an, die er bis ins Detail zu imitieren versucht. So klingt dann der erste Akt zunächst auch eher wie ein Haydn-Oratorium. Dabei ist die Musik überwiegend epigonal. Sie tönt zwar vordergründig wie Haydn oder Mozart, doch fehlt ihr sowohl die Doppelbödigkeit und Tiefe der mozartschen Tonsprache wie die Originalität und dramatische Ausdruckskraft haydnscher Vokalwerke. Manch schöne Melodie lässt sich natürlich dennoch finden und der Orchestersatz sorgt, wie erwähnt, durchaus für unterhaltsame Abwechslung. Aber an den entscheidenden Schnittstellen, den hochdramatischen-expressiven ebenso wie den lyrischen Szenen bleibt die Figuren- und Affektzeichnung flach. Bemerkenswert sind demgegenüber die klug konstruierten Ensembleszene, während die Chöre oft banal geraten sind.
Der Kammerchor und die Hofkapelle Stuttgart legen sich für die Sache ins Zeug und halten das musikalische Geschehen souverän in Bewegung.
Unter den Sängern ist vor allem die Leistung von Christina Landshamer in der Rolle der Königstochter Melilla hervorzuheben. Ihr samtig-sahnig geführter Sopran ist leuchtkräftig, virtuos und ausdrucksvoll. In der anspruchsvollen Partie des Selim fällt Mark Adler durch einen unausgewogenen Vortrag auf, der mal wohltönend besticht, aber auch immer wieder Intonationsschwächen erkennen lässt. Ansonsten schlägt sich das überwiegende junge Sängerensemble sehr ordentlich, sieht man davon ab, dass Andreas Macco einen recht blassen Phrynis abgibt.
Aus der Versenkung der Musikgeschichte dürfte "Die Aeolsharfe" trotz dieser engagierten und löblichen Produktion auf Dauer wohl nicht herausgehoben worden sein. Die nicht zu kaschierenden Schwächen in Libretto und Musik lassen es unwahrscheinlich erscheinen, dass dem Stück jemals eine Inszenierung auf den Opernbühnen unserer Tage beschieden sein wird.
Sven Kerkhoff
Besetzung
Mark Adler: Selim
Andrea Lauren Brown: Bulline
Patrick Pobeschin: Bull
Andreas Macco: Phrynis
Thomas E. Bauer: Hierokles
Johannes Kaleschke: Lysis
Markus Brutscher: Ephron
Sarah Wegener: Mellita
Maria van Eldik: Susa
Adolph Seidel: Herold / Achmet
Kammerchor Stuttgart
Hofkapelle Stuttgart
Frieder Bernius: Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |