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Pièces de viole
Info
Musikrichtung:
Barock Gambe
VÖ: 01.11.2008 (Paradizo / Note 1 / CD & Bonus-DVD 2008 / Best. Nr. PA 0006) Gesamtspielzeit: 64:46 |
LÄSSIG
Lässigkeit und französische Barockmusik - das passt nicht zusammen. Oder etwa doch? Die Nonchalance, von der Skip Sempé im Beiheft zu dieser Aufnahme mit Gambenkompositionen von Marin Marais und seinem legendären Lehrer Sainte Colombe spricht, meint eine ideale, persönlich geformte Balance von Strenge und Freiheit bei der Wiedergabe der Musik. Das Notierte hält den Verlauf und die Architektur des Stückes fest. Gespielt werden aber muss flexibel und biegsam, so dass das auf dem Papier Fixierte wie eben erst erfunden klingt.
Sempé plädiert für die Freiheit des individuell geformten Taktes gegenüber einer mechanischen rhythmischen Pulsation. Die sei der französischen Musik ebenso wesensfremd wie der französischen Sprache. Gleichmaß und Monotonie nehmen dieser Musik die Luft zum Atmen. Gleichwohl darf das inegale Spiel mit verlängerten oder verkürzten Notenwerten nicht in Manierismus umschlagen. Man soll der Kunst ihre Künstlichkeit keinesfalls anmerken. Nicht umsonst haben fast alle großen französischen Komponisten ihr eigenes, raffiniertes System von Verzierungen entwickelt, die im Spannungsfeld von Takt und Rhythmus vermitteln. Das Wissen um die Artikulationsmöglichkeiten und die Klangfarben des Instruments sind dabei nicht weniger wichtig. Gerade die Gambe galt als der menschlichen Stimme verwandt. Es geht also immer auch um den spezifischen Klang, der mitkomponiert wurde, und nicht etwa nur ein Nebenprodukt der Ausführung ist.
Dass französische Barockmusik eine ‚sprechende‘ Kunst nuancierter Gestik und Figurationen ist, kann man denn auch bei den vorliegenden Stücken hören. Die jungen Gambisten Josh Cheatham und Julien Léonhard zeigen unter anderem beim dreisätzigen Concert XLVIII von Sainte-Colombe, wie spannend und reich die Gestaltungsmöglichkeiten sind. Vor allem die sich scheinbar ins Unendliche fortsetzenden Schraubendrehungen der Chacone raportée geraten organisch und suggestiv. Aber auch die Kombination von Gambe und Cembalo profitiert sehr von dem individuellen Zugriff der Musiker; Sempé hat gerade erst bei Rameau demonstriert, dass auch das „starre“ Cembalo der ‚Lässigkeit‘ verpflichtet war.
Auf der Bonus-DVD können einige der auf der CD enthaltenen Stücke sowie weitere Kompositionen anderer, auch nicht französischer Meister, als Konzertaufführung genossen werden.
Georg Henkel
Trackliste
1 | Bonus DVD |
2 | Weitere Künstler hier: Sophie Gent & Julien Martin |
3 | Marais: Sarabande à 2 violes – Livre 1 / Sarabande grav- Livre 3 / Chaconne – Livre V |
4 | Jacques-Martin Hotteterre: Rondeau ‘Le Plaintif’ |
5 | Georg Philipp Telemann: Modéré – Quatuor Parisien |
Besetzung
Skip Sempè: Cembalo
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |