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Viva Verdi!
DEN OPERN WIRD DER MARSCH GEBLASEN
NICHT ALLES WAS GEHT, MUSS AUCH...
Das Blechbläser-Ensemble HR-Brass hat sich seit langem auf die Fahnen geschrieben, das Publikum mit immer neuen Experimenten zu überraschen und mit technischer Perfektion zu verblüffen. Mittlerweile gibt es, sei es von ihnen oder ähnlichen Ensembles, fast alle populären Werke der klassischen Konzertliteratur in Arrangements für Bläser zu hören: Die 4 Jahreszeiten sind ebensowenig verschont geblieben, wie Beethovens fünfte Symphonie.
Nun hat sich HR-Brass der Oper zugewandt und tritt an, zu demonstrieren, dass Opernmusik auch ohne Sänger, Streicher und Holzbläser funktioniert - wenn denn Trompete, Horn, Posaune, Tuba und Schlagzeug zur Verfügung stehen.
So bekommen wir neben den Ouvertüren zu Johann Strauß´ "Fledermaus" und "Zigeunerbaron", sowie Rossinis "Italienerin in Algier" etwa auch ein "Zauberflöten"- und ein Verdi-Medley geboten.
Bearbeitungen sind übrigens keineswegs eine Erfindung der Neuzeit, sondern in vielerlei Form seit Jahrhunderten bekannt: Als Klaviertranskriptionen, Harmoniemusiken usw. usw.
Sie leben vom Verfremdungs- und Wiedererkennungseffekt gleichermaßen, aber auch vom handwerklichen Geschick des Arrangeurs und dem Einfühlungsvermögen der Interpreten.
TAUMELNDE FLUGSAURIER
Dieses Leben bekommen die Stücke auf der CD leider nur ansatzweise eingehaucht: Gleich die Fledermaus-Ouvertüre zu Beginn langweilt mehr, als dass sie verblüfft. Der dem Werk an sich innewohnende und unabdingbare Schwung fehlt, alles wirkt behäbig, teils schwerfällig und diese "Fledermaus" erinnert eher an einen ins Trudeln geratenen Flugsaurier.
Nicht viel besser sieht es bei den Medleys aus. In "Viva Verdi!" finden sich bekannte Melodien etwa aus "La Traviata", "Rigoletto", "Il Trovatore" und "Aida". Ein Medley indes wird in erster Linie dadurch zum Vergnügen, dass die Stücke ineinander übergehen, sich chameläonartig verwandeln. Bei dem von Ensembleleiter Steven Verhaert arrangierten Potpurri sind diese Momente zu selten, es überwiegen die Brüche. Gleiches gilt für Andreas Tarkmanns "Die Zauberflöte oder The Magic Trumpet". Abgesehen von einigen hübschen Passagen, wenn etwa die Bläser schleppend Papagenos Beinahe-Selbstmord vorführen, bleibt auch hier das meiste plump. Man könnte fast meinen, HR-Brass verfolgte Glen Goulds Ansatz weiter, vermeintliche Plattheiten in Mozarts Musik schonungslos zu offenbaren.
Richtig Spaß, auch und gerade wegen des Swings, mit dem sie präsentiert werden, machen da hingegen eigentlich nur die Ouvertüren zu "Die Italienerin in Algier" und dem "Zigeunerbaron". Hier fühlen sich die Bläser scheinbar zuhause, spielen auch mal augenzwinkernd pfiffig.
Alles in allem trotz der guten Klangqualität eine CD nur für diejenigen, die vom Blechbläser-Sound nun wirklich nicht genug bekommen können.
Sven Kerkhoff
Trackliste
1 | Joh. Strauß: Ouvertüre zu "Die Fledermaus" | 8:47 |
2 | Verdi: Viva Verdi! (Medley) | 9:42 |
3 | Giminez: La Boda de Luis Alonso | 6:09 |
4 | Mozart: Die Zauberflöte (Medley) | 15:07 |
5 | Rossini: Ouvertüre zu "Die Italienierin in Algier" | 8:11 |
6 | Puccini: "Che Gelida Manina" aus "La Boheme" | 4:20 |
7 | Joh. Strauß: Ouvertüre zu "Der Zigeunerbaron" | 7:52 |
Besetzung
Ltg. Steven Verhaert
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |