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Socrate – Six Nocturnes - Menuet
Info
Musikrichtung:
Moderne Oper
VÖ: 01.06.2008 (Timpani / Note 1 CD / DDD 1993 / Best. Nr. 1C1141) Gesamtspielzeit: 67:00 |
TRANSPARENT
Er habe eine weiße Musik komponieren wollen, weiß wie die klassische Antike. Ein durchsichtiges und leidenschaftsloses Werk. So Eric Satie zu seinem „Sinfonischen Drama“ Socrate. Das zwischen 1917 und 1918 komponierte Werk zeichnet sich durch eine provozierende Vermeidung von individuellem Ausdruck, „Stil“ und äußerem Aufwand aus. Die Musik ist sozusagen von neutraler Schönheit. „Ich heiße Eric Satie, wie jedermann“, formulierte Satie einmal sein paradoxes künstlerisches Selbstverständnis. Stilvermeidung als Stilmerkmal, Anonymität als besonderes Kennzeichen - Socrate löst Saties antiromantische, antisubjektive Ästhetik perfekt ein.
Zwei Abschnitte des Werks verhandeln Socrates Leben (I) und Tod (III); in der Mitte (II) gibt es die Episode „Die Banken von Illyssus“. In allen Fällen handelt es sich um Auszüge aus Werken Platos (Symphosion, Phaedrus und Phaedo) in einer französischen Übersetzung. Da es sich um philosophische Gespräch handelt, gibt es mehrere Rollen, die eigentlich auch von verschiedenen Stimmen - Tenor, Sopran & Mezzosopran - vorgetragen werden können. Aufgrund der sehr ähnlichen Lage der Partien haben sich allerdings die einstimmig besetzten Versionen, meist mit einem Tenor, durchgesetzt. Dazu tritt in der Urfassung ein Kammerorchester, Satie selbst komponierte aber auch gleich noch eine Klavierfassung dazu, in der der „weiße“ Charakter der Musik noch deutlicher zu Tage tritt. Der Ton ist archaisierend, modal, der Gregorianik näher als der Moderne. Ostinate Bässe sorgen bei den größeren Abschnitten für den nötigen Zusammenhalt. Vokal- und Instrumentalpart verwenden wenig Mühe auf die Textausdeutung; meist laufen sie nebeneinander her. Der Text wird dabei eher deklamiert als gesungen. Das Ganze hat also wenig mit klassischer Oper oder dem Musikdrama à la Wagner zu tun. Eher ist Socrate eine Art Kantate oder musikalisierte Lesung.
Diese 1993 erstveröffentlichte Einspielung setzt mit dem Tenor Jean Belliard auf eine recht charaktervolle, dabei sehr französische hohe und schlanke Tenorstimme. Mit ihrem etwas ältlichen Timbre sagt sie mir nicht so zu. Durch seine an mittelalterlicher Musik geschulte Herangehensweise trifft Belliard allerdings den unzeitgemäßen Ton der Musik ziemlich genau. Sein Begleiter, der Pianist Billy Eidi, sorgt beim Klavierpart für sehr transparente, aber nicht trocken buchstabierte Strukturen, eine Qualität, die auch die anschließenden Six Nocturnes und das Menuet auszeichnet. Der schwebende Duktus der Musik kommt in allen Fällen gut zur Geltung. Leider wurde das Socrate-Libretto nicht mitabgedruckt; es findet sich auch nicht, wie im Beiheft angekündigt, auf der Homepage des Labels.
Georg Henkel
Trackliste
04-09 Six Nocturnes
10 1er Menuet
Besetzung
Billy Eidi, Klavier
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |