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In Festo Sactissimae Trinitatis
Info
Musikrichtung:
Venezianische Mehrchörigkeit
VÖ: 01.10.2003 (Assai / Note 1) CD DDD (AD 1998) / Best. Nr. 222512 Gesamtspielzeit: 63:26 Internet: Choeur de chambre de Namur |
DER PRACHTPFLICHT NACHKOMMEN
Recht hat er, der Max Goldt: "Die Prachtpflicht ist neben der Residenzpflicht und der Arroganzpflicht eine unserer besten Pflichten."
Wie aber der Prachtpflicht nachkommen? Goldt schließt sich in seiner Wohnung ein, läuft in Unterhosen herum und hört das neueste Album der Cocteau Twins mit dem schönen Titel Milch und Küsse.
Es gibt aber durchaus Alternativen.
Ich positioniere mich voll bekleidet in meinem Hörsessel und lege eine Platte mit Werken von Giovanni Gabrieli (1555-1612) auf. Die für die Prachtenfaltung unverzichtbare würdevolle Haltung stellt sich gleich bei den ersten Tönen von selbst ein.
Gabrieli komponierte seine Musik für einen der prächtigsten Räume überhaupt: San Marco in Venedig. Die Wände der Basilika sind gänzlich mit goldenen Mosaiken bedeckt. Im späten 16. und 17. Jahrhundert feierte man dort nicht nur Teile der Liturgie nach altem byzantinischem Ritus, sondern pflegte eine unerhört aufwendige Kirchenmusik.
Der gewaltige Raum mit seiner Überakustik besaß gleich mehrere Emporen, auf denen Sänger und Musiker Platz fanden. Die Stereophonie, ach was, auch die Quadrophonie wurde wohl in San Marco erfunden. Dabei konnte die sehr varible Besetzung mit Zinken, Posaunen, Dulzianen, Orgeln - es gab gleich zwei davon - und diversen Streichinstrumenten inkl. Sängern bis zu 22 Stimmen in bis zu vier Chören umfassen. Das sind für damalige Verhältnisse riesige und wegen der bläserlastigen Besetzung vor allem sehr klangintensive Besetzungen gewesen. Der Ruhm Venedigs reichte wegen seiner Kirchenmusik so weit, dass Komponisten zu Studienzwecken selbst aus dem protestantischen Norden kamen. Heinrich Schütz war einer von ihnen.
Heute kann man dank zahlreicher Einspielungen dieser herrlichen Musik der Prachtpflicht im heimischen Wohnzimmer nachkommen. Der Zinkist und Ensembleleiter Jean Tubéry sorgt in diesem Fall mit den virtuosen Musikern von La Fenice dem Kammerchor von Namur und diversen Solisten dafür, dass man an einer fiktiven Liturgie zum Fest der Heiligen Dreifaltigkeit teilnehmen kann. Der lesenswerte Bookletartikel informiert über alle musikologischen und historischen Details - leider fehlen genauere Angaben zu den Instrumentalisten.
Die nehmen durch ihr virtuoses, farbiges Spiel vor allem in den diversen Canzonas für sich ein. Die historischen Instrumente sind dem blechgepanzerten, aber letztlich monochromen Wuchtklang der bekannten "Brass"-Ensembles unbedingt vorzuziehen. Dabei sorgt hier die Aufnahmetechnik dafür, dass die Details nicht verloren gehen und trotzdem etwas von jener Breitwandakustik herüberkommt, die typisch für San Marco ist. Auch ein gemischt besetztes, aufregend kontrapunktisches Meisterstück wie das Benedictus sit sancta trinitas kommt so gut zur Geltung. Freilich ist die Pracht hier eher subtiler Art.
Der Chor klingt am besten in kleinerer, solistischer Besetzung. Beim zehnstimmigen Jubilates Deo oder dem 20-stimmigen 'Finale' von Dulcis Jesu fehlt es an Brillanz, die etwas stumpfe Stimme des Altisten Eric Mentzel vermag sich im letzten Fall zudem kaum gegen die Begleitung durchzusetzten. Durch das fächerartige Klangpanorama wird die räumlich getrennte Aufstellung leider etwas nivelliert. Gabrielis Musik ist wirklich ein Fall für die SACD und Mehrkanal-Experimente.
Georg Henkel
Trackliste
1 | In ecclesiis à 14 | 7:15 |
2 | Canzona seconda à 16 | 3:49 |
3 | Benedictus es Dominus à 8 | 4:44 |
4 | Toccata ottava / Orgel (A. Gabrieli) | 1:42 |
5 | Confitebor tibi Domini à 13 (3 Chöre) | 5:26 |
6 | Ricercar quinto tono / Orgel (A. Gabrieli) | 2:55 |
7 | Benedicta sit sancta trinitas | 5:15 |
8 | Canzon decimasettima à 12 (3 Chöre) | 3:40 |
9 | Jubilate Deo à 10 | 4:47 |
10 | Canzon settima à 7 | 3:26 |
11 | Domine Dominus noster à 8 (2 Chöre) | 3:44 |
12 | Canzon per sonar primi toni à 8 (2 Chöre) | 3:47 |
13 | Dulcis Jesu patris imago à 20 | 6:49 |
14 | Canzon seconda f. 2 Orgeln | 2:50 |
15 | Omnes gentes à 16 (4 Chöre) | 3:17 |
Besetzung
Eric Mentzel (Altus)
Hans Jörg Mammel / Stephan Van Dyck (Tenor)
Choeur de chambre de Namur
La Fenice
Ltg. Jean Tubéry
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |