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Reviews

Fásolo (Dumestre)

Madrigale und Szenen aus der Commedia Dell'Arte


Info

Musikrichtung: Madrigal / Commedia dell'arte

VÖ: 01.04.2003

(Alpha / Note 1) CD DDD (AD 2002) / Best. Nr. Alpha 023

Gesamtspielzeit: 68:04

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BAROCKE MASKENSPIELE - ODER: WER WAR "DIE BOHNE"?

Die Interpretation macht die Musik! Das gilt insbesondere für die sogenannte Alte Musik, denn da steht noch längst nicht alles in den Noten. Das Ensemble Le Poème Harmonique unter Vincent Dumestre demonstriert hier mit Werken eines nur unter dem Pseudonym Il Fásolo - Die Bohne bekannten Komponisten die Kunst der Interpretation in Vollendung. Die musikalischen Formen - Strophenarien und Tanzlieder wie die Bergamasca oder Chaconne - kennt man vielleicht von vergleichbaren Produktionen mit Werken bekannterer Komponisten. Durch die lebendige Darstellungen erscheinen sie aber wie neu. Und was bedeuten schon Konventionen, wenn sie so inspiriert dargeboten werden? Und dass mir bloß keiner mit 'Ach diese langweiligen Monodien ...' komme! Was hier an Einfallsreichtum, glutvoller Sinnlichkeit und Klangschönheit zu Gehör gebracht wird, sollte selbst eingefleischte Skeptiker überzeugen.

ZWISCHEN KOMMÖDIE UND TRAGÖDIE

Die Musiker verzaubern hier mit karnevalesken Szene aus der Commedia dell'Arte, kombiniert mit Lamenti und Madrigalen von Fásolos Zeitgenossen Benedetto Ferrari und Benedetto Pallavicino.
Das rund neunminütige Lamento Chi no sà come Amor und die anschließende, nicht minder ausdrucksvolle Strophen-Arie Son ruinato von Ferrari erfahren durch Claire Lefilliâtre eine hinreißende Interpretation. Ihr geschmeidig geführter, sehr 'natürlicher' Sopran erinnert die kristalline Klarheit von Emma Kirkbys Stimme, betört aber darüber hinaus durch einen leidenschaftlichen und warmen, sehr wandlungsfähigen Ton. Das Vibrato wird von ihr lediglich als Ausdrucksmittel eingesezt. Das "liebliche Beben" der Stimme (Praetorius) war im 17. Jahrhundert noch nicht der heute leider (immer noch) übliche Dauerzustand. Lefilliâtres Stimme ist in jeder Lage bestens disponiert: da verhaucht kein Ton der kunstvoll ausgesponnenen Melodiebögen. Man glaubt dieser Sängerin jedes Wort, jede Emotion: die Verzweiflung, den Liebeswahn, die Todessehnsucht, den Rausch der Hingabe. Die exzellente instrumentale Begleitung sorgt für eine optimale Pointierung der Affekte und - wie im Fall der Strophen-Arie u. a. mit der sonoren Lirone - für eine dichte Klangaura.

Die - historisch verbürgte - Freiheit, die sich die Interpreten nehmen, führt zu überzeugenden Lösungen, die das Programm ausgesprochen farbig und kurzweilig machen. So leitet das Ensemble das ergreifende Madrigal O dolorosa sorte erst instrumental ein, bevor die Stimmen einsetzten - der Hörer wird förmlich in die Musik hineingezogen. Die individuellen Timbres der Einzelstimmen werden perfekt ausbalanciert. Ziemlich unwiderstehlich sind hier wie schon bei der eröffnenden Bergamasca die offenen, leicht angerauhten Stimmen von Bruno Bonhoure, Serge Goubioud und Marco Horvat.
Diese Qualitäten tragen auch die musikalischen Sketche von Il Fásolo mühelos in die Gegenwart. Die mehrteilige Serenade im lombardischen Dialekt bringt die Schlemmerin Madame Gourmandia, Lord Karneval, Bacchus, ein Trio tanzender Krüppel und maurische Sklaven auf die imaginäre Hör-Bühne. Dank der skurrilen vokalen und instrumentalen Charakterisierungen (unverzichtbar: das reichhaltige Schlagzeug inkl. Kastagnetten und Händeklatschen) bekommen der Herr des Karneval und seine verlotterte Begleitung einen köstlichen Auftritt. Als primus inter pares brilliert bei den Instrumentalisten Vincent Dumestre auf der Theorbe, der Barock-Gitarre und der Colcasione, einer europäischen Verwandten des orientalischen Tanbur mit kleinem, körbchenförmigen Schallkörper und überlangem Hals (ich vermute, dass man dieses Instrument bei Aria alla napolitana zu hören bekommt).

Wer Die Bohne war? Man höre nur und genieße (oder lese es im Booklet nach)! Hier ist eine uneingeschränkte Empfehlung auszusprechen. Es stimmt einfach alles: ein intelligent arrangiertes Programm herrlicher Musik, gesungen von vorzüglichen Stimmen, musiziert und inszeniert mit rhythmischem Drive, Leidenschaft und Witz.



Georg Henkel

Trackliste

02 Bergamasca: La Barchetta passaggiera (07:02)
02 Lamento di Madama Lucia (06:04)
03 Chi non sà come Amor (09:16)
04 Son ruinato, appassionato (06:37)
05 Canzonetta: Sguardo lusinghiero (03:42)
06 Madrigale: O dolorosa sorte (05:09)
07 Jacarà: Aria alla napolitana (05:46)
08-16 Serenata in linuga lombarda (18:44)
17 Ciaconna: Acceso mio core (06:52)

Besetzung

Poème Harmonique
Ltg. Vincent Dumestre
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