Reviews
Son De Los Diablos (Sapukái)
Info
Musikrichtung:
Historische Folklore
VÖ: 01.10.2003 (Alpha / Note 1) CD DDD (AD 2002) / Best. Nr. Alpha 507 Gesamtspielzeit: 52:06 Internet: Diana Baroni |
TEUFELS-SONGS
GESAMTKUNSTWERK
Noch bevor ich mir diese Platte das erste Mal angehört habe, war ich auch schon ins Booklet vertieft. Ach was: Booklet. Das klingt so technisch. Beim Label Alpha ergänzen sich Musik und Präsentation zu einem kleinen Gesamtkunstwerk. Auf den Covern der Aufnahmen mit klassischer Musik findet sich der Leitspruch ut pictura musica: Malerei wird Musik, Musik wird Malerei. Eine originelle Abwandlung des antiken Originals ut pictura poiesis, das sich auf die "malende Dichtkunst" bezieht.
Alle, die im Zeitalter der CDs die großen alten LP-Hüllen und ihr manchmal originelles Artwork vermissen, werden das zu schätzen wissen. Weil es in der Alpha-Reihe Les chants de la terre um Expeditionen nicht nur in räumlich, sondern auch zeitlich ferne Gefilde geht, ist die sinnliche Präsentation besonders geeigent, die Phantasie der Hörers zusätzlich anzuregen.
Hier finden sich nicht nur wieder die zahlreichen Fotos von der Aufnahme in der Pariser Hospitalkirche Notre-Dame de Bon Seceurs. Hier gibt es auch suggestive Illustrationen aus dem Trujillo del Perú (1779-1789) zu sehen: ein frühes Beispiel für ethnologische Forschung in Lateinamerika, verfaßt von Don Baltasar Jaime Martínez Companón, dem Bischof von Trujillo. Dargestellt sind als Teufel maskierte Tänzer und Musiker in phantasievollen Kostümen. Der Essay der Sängerin und Flötistin Diana Baroni, zugleich die künstlerische Leiterin des Unternehmens, verrät, was es damit auf sich hat.
EIN TRIP ZUM LESEN UND ZUM HÖREN
Baroni entführt den Leser in den kulturellen Schmelztigel Peru, wo sich indegene, spanische und afrikanische Kultur auf faszinierende Weise vermischen, vor allem in der Musik. Sie erzählt von der Musik der schwarzen Sklaven in den Plantagen, von den Festen und der Straßenmusik der Indios, von der "Teufelsmusik". Klar, das dazu entsprechende Instrumente nötig sind: Trommeln (tinya und checo), diverse Gitarren, z. B. die vihuela, Panflöten (antara) und Lochflöten (quena), dann die quijada, die aus dem Unterkieferknochen von Esel, Pferd oder Kuh besteht. Man streicht mit der Faust oder einem Holsstück über die Zahnreihen.
Nicht zu vergessen die Tänze: die gesungenen Tonados - darunter den erotischen lundu und den elegischen yaravi. Es geht um Himmel und Hölle, Gott und Teufel, die Härten des Lebens, Lebenslust, Fruchtbarkeit, Liebe und Sex.
Das liest sich (englisch oder französisch) spannend und unterhaltsam: Ein faszinierender Einblick in eine musikalische Welt, die bis heute vor allem mündlich überliefert ist und in den einheimischen Straßenmusikanten weiterlebt und mit der die Indio-Combos in den Fußgängerzonen europäischer Städte nicht mehr allzuviel zu tun haben.
Man kann aber auch gleich den Silberling in den Player legen, und mit den Ohren auf die Reise gehen. Die Musik wurde z. T. nach originalen Quellen des 18. Jahrhundert von Orlando Mino und Rodolfo Munoz arrangiert. Die Musiker des Ensembles Sapukái bringen sie mit soviel Einfühlungsvermögen und Liebe zum Detail zum Klingen, das daraus regelrechte Kunstwerke werden. Das sind alles andere als blutleere Rekonstruktionen, zudem vorzüglich aufgenommen. Zum Gelingen tragen auch die jungen, leichten Stimmen von Diana Baroni und ihrer männlichen Begleiter bei. Vielleicht wird der eine oder andere ein charakteristischeres Timbre vermissen: nicht ganz so schön, aber dafür energiegeladener, wilder. Bei manchen Stücken denkt man unweigerlich an Buena Vista Social Club und an Lambada - obwohl diese Musik ganz woanders beheimatet ist.
Der Winter kann kommen.
Georg Henkel
Trackliste
1 | Hanaccpachap Cussicuinin | 2:17 |
2 | Tonada El Congo | 4:08 |
3 | Tambores batá | 0:51 |
4 | Son de los diablos | 3:36 |
5 | Zana negra | 5:21 |
6 | Vals peruano | 3:13 |
7 | Tonada La Selosa | 4:32 |
8 | Rezo a la Madre Tierra | 3:18 |
9 | Tondada El Diamante | 2:49 |
10 | Tonada La Donosa | 3:49 |
11 | Morenada | 1:31 |
12 | Tio Goyo | 3:57 |
13 | No, Valentin | 5:24 |
14 | Soncoyman | 0:50 |
15 | Cachua al nacimiento de Christo Nuestro Senor | 4:33 |
16 | Danza del inca | 1:05 |
Besetzung
Ltg. Diana Baroni
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |