Reviews
Gitarren-Quintett u.a.
Info
Musikrichtung:
Kammermusik
VÖ: 07.11.2003 (Virgin Veritas / EMI) CD (AD 2003) / Best. Nr. 7243 5 45602 2 4 Gesamtspielzeit: 71:19 Internet: Virgin Veritas |
ROKOKOKOKO-GEKLÖPPEL
Diese Einspielung von zwei Gitarrenquintetten und einem Streichquartett von Luigi Boccherini (1743-1805) hinterläßt einen ausgesprochen zwiespältigen Eindruck.
Die Musik macht großes Vergnügen: Boccherinis Stärke liegt weniger in der stringenten Verarbeitung der Themen (wie es bei seinen Kollegen von der Wiener Klassik der Fall ist), als in der geschickten Mischung unterschiedlichster Stimmungen und Genres sowie einem Gespür für farbliche Nuancierungen und Kontraste auf kleinstem Raum. Da folgt im brerühmten Fandagno-Quinttett G. 448 in D-Dur für Gitarre und Streicher auf die mediterrane Pastorale ein energisches Allegro maestose, das anschließende spannungsvolle Grave assai leitet über zum finalen Bacchanal des Fandango, einem Modetanz des 18. Jahrhunderts, der es von den spanischen Wirts- und Hurenhäusern zum höfischen Exportschlager gebracht hatte. Die Variationen steigern sich zu einem beeindruckenden Klimax. Idiomatisches Schlagzeug wie Tambourin oder Castagnetten verleihen dem Stück ein zusätzliches 'südländisches' Flair und balancieren es gekonnt zwischen Folklore und Kunstmusik. Reize dieser Art findet man auch beim zweiten Quintett mit dem programmatischen Titel 'La ritriarta di Madrid', das zum Abschluss durch seinen theatralischen Variationensatz über ein damals populäres Marsch-Thema besticht, oder auch beim 'dazwischengeschobenen' Streichquartett op. 24 in G-Moll.
Vor diesem Hintergrund wird man die Interpretation durch das Ensembles Europa Galante unter Fabio Biondi zunächst einmal für ihre kaum noch steigerbare Differenziertheit loben müssen. Die Musiker spüren den delikaten Rokoko-Figurationen bis in die feinste Verästelung nach, garnieren Boccherinis Filigrane mit unwirklich deliktaten Flageoletts, produzieren den Fandango, wo es sein muss, auch mal mit handfester Attacke, verleihen den langsamen Sätze eine verhalten pastellene Farbigkeit.
Nicht in dieser Kleingliedrigkeit und bewußt bis ins Manierierte gesteigerten Finesse liegt das Problem, sondern in dem dazu gewählten haarfeinen, säuerlich-spröden Klang der historischen Instrumente. Auf gewisse Weise ist das sogar konsequent. Dennoch: Man könnte meinen, hier werden nicht Darmsaiten, sondern Spinnweben tracktiert - mit Stricknadeln! Vom ersten Takt an verharrt der Hörer in Erwartung auf einen erlösenden 'voll' ausgespielten Ton - allein, er erklingt nicht. Die nervöse Anspannung, die sich hier über die Musik legt, verträgt sich weder mit Boccherinis verspielter Eleganz noch mit der dionysischen Vitalität einiger Sätze.
VORSICHT: COPY CONTROLLED
Außerdem: Hinter dem inzwischen auch auf EMI- und Virgin-Aufnahmen befindlichen Label "Copy Controlled" verbirgt sich nichts anderes, als eine bis an die Grenzen zur Lesbarkeit deformierte Tonspur, die Computerlaufwerke mit schlechter Fehlerkorrektur aus dem Tritt bringen und illegales Brennen verhindern soll. Es darf auch als Kauf-Warnung genommen werden: Obschon die Aufnahme auf einem NAD-Player mit guter Korrektur abgespielt wurde, kam es immer wieder zu Wacklern! Bei allem Verständnis für die Interessen der arg gebeutelten Phono-Industrie: So wird das nichts!
Georg Henkel
Trackliste
05-07 Streich-Quartett g. 194 (16:36)
08-11 Gitarren-Quintett G. 453 (34:18)
Besetzung
Fabio Biondi - Lorenzo Colitto (Violine)
Ernesto Braucher (Viola)
Maurizio Naddeo (Violoncello)
Giangiacomo Pinardi (Gitarre)
Mauro Occhoniero (Kastagnetten)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |