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Deutsche Barockkantaten
Info
Musikrichtung:
Barock
VÖ: 14.03.2008 Sony Classical / SonyBMG (CD, DDD (AD: 2007) / Best.nr. 88697225032) Gesamtspielzeit: 71:14 Internet: SonyBMG |
NEUES AUS GENF
Es ist schön zu sehen, dass Sony seine Alte-Musik-Reihe Vivarte nicht einschlafen lässt, sondern sie sogar nutzt, um eine neues Vokal- und Instrumentalensemble zu präsentieren. Gli Angeli Genève sind, wie der Name schon sagt, in Genf ansässig und widmen sich vor allem vokaler und instrumentaler Kammermusik aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Die Namen vieler Instrumentalisten sind aus anderen Ensembles vertraut, so dass die Musik hier in erfahrenen Händen liegt.
Anders als das Marketing uns weiß machen will, sind die auf der ersten CD von Gli Angeli versammelten Werke aber keineswegs selten gespielt oder neu zu entdecken. Alle Stück liegen mehr oder weniger zahlreich in Vergleichseinpielungen vor. Das ist an sich kein Manko und gerade die hier gewählte Zusammenstellung ist durchaus schlüssig, um Entwicklungslinien der Barockkantate in Deutschland nachzuzeichnen. Vom Grundton und Stimmungsgehalt will allerdings die fröhliche Kantate "Jauchzet dem Herren alle Welt" von Nicolaus Bruhns (1665-1697) nicht so recht zu den übrigen, verhaltenen Werken passen.
Musiker und Sänger pflegen einen abgerundeten, klangschönen Ton. Die Klangtechnik der Studioaufnahme lässt die Instrumentalstimmen sehr transparent und klar hervortreten. Was der Einspielung einzig abgeht, ist der dramatisch-rhetorische Impetus. Man kann dies gleich beim Eingangsstück, Telemanns früher Trauerkantate "Du aber Daniele, gehe hin", ausmachen. Wo von Freude, von Seufzen, Tränen, Glück oder der "in den Staub gefallenen Krone" die Rede ist, zeichnet Telemann dies in typischer Manier mit der Gesangslinie klangmalerisch nach. Unter Stephen MacLeods Leitung begnügen sich die Sänger damit, diese Linie vorzutragen, aber ihr Vortragston passt sich nicht der jeweiligen Wortbedeutung an. Die Interpretation bleibt dadurch stets nüchtern-sachlich, was dem Andachtsverständnis späterer Jahrhunderte, nicht aber dem des Barocks entsprechen dürfte. Man muss nicht gleich theatralische Effekte bemühen, aber wie auch mit eher kleinen Veränderungen große Wirkung zu erzielen ist, belegt etwa die Vergleichseinspielung mit Cantus Cölln (harmonia mundi, 2002).
Verstärkt tritt das Problem in Bachs Solo-Kantate "Ich habe genug" zu Tage, wo MacLeod Lebenssattheit, Glaubensgewißheit und Vorfreude auf den Tod/das ewige Leben ebenfalls mit einem nahezu durchweg gleichen Stimmausdruck präsentiert und so die Unterschiede zwischen den drei Arien verflachen lässt. Da nützt es wenig, dass er die Eingangsarie in ungewohnt aber nicht unpassend schnellem Tempo angeht. Wie die Kantate abwechslungsreich und lebendig gestaltet werden kann, ist insoweit beispielhaft bei Hanno Müller-Brachmann zu hören (Ltg. H. Müller-Brühl, Naxos, 2005).
In Buxtehudes soghafter Chor-Pasacaglia "Jesu meines Lebens Leben" tritt der je zweifach besetzte Chor mit einer bewundernswert klaren, klangschönen Leistung hervor. Aber auch hier lässt MacLeod keinerlei dramatischen Ansatz zu, lässt er die Ritornelle und Vokalteile stets legato ausführen und reduziert so die Binnenspannung des Stücks derart drastisch, dass dieses zu einem Lamento zu werden droht. Welch mitreissenden Effekt das Werk machen kann, wenn man es anders und dennoch ohne Theaterdonner angeht, lässt sich in der Vergleichseinspielung Jos van Immerseels (Channel Classics, 1999) überprüfen.
In den weiteren Solo-Kantaten hinterlässt die CD einen überzeugenderen Eindruck: Jan Kobow wagt sich in Bruhns erstaunlichem und vokal vertracktem geistlichen Konzert "Jauchzet dem Herren alle Welt" weiter heraus und ist erfolgreich bemüht, dem Jubel stimmlich Gestalt zu verleihen.
Das Lamento "Ach, dass ich Wassers g´nug hätte" aus der Feder von Johann Christoph Bach (1642-1703) trägt Pascal Bertin einfühlsam, aber ebenfalls mit einer gewissen Zurückhaltung im Ausdruck vor.
Sven Kerkhoff
Trackliste
9 Johann Christoph Bach - Ach, dass ich Wassers g´nug hätte
10-11 D. Buxtehude - Jesu meines Lebens Leben
12 N. Bruhns - Jauchzet dem Herrn alle Welt
13-17 J. S. Bach - Ich habe genug
Besetzung
Pascal Bertin, Altus
Jan Kobow, Tenor
Stephen MacLeod, Bass
Gli Angeli Geneve
Ltg. Stephen MacLeod
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |