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Llibre Vermell de Montserrat (Deslignes)

Llibre Vermell (Ausz.)

Info Musikrichtung: Mittelalter Ensemble VÖ: 01.02.2008 (Ricercar / Note 1) Gesamtspielzeit: 78:00

„Die Gesänge des Llibre Vermell de Montserrat gehören zu den schönsten anonymen, kollektiven Werken, die uns aus dem Mittelalter erhalten sind.“ Dieser Aussage von Ensembleleiter Christophe Delignes bleibt angesichts seiner attraktiven Auswahl mittelalterlicher Pilgergesänge aus dem „Roten Buch“ nichts hinzuzufügen.
Der Einspielung haftet nichts Technisches oder Akademisches an. Man glaubt sich als Hörer mitten zwischen den singenden und feiernden Pilgern und Mönchen auf dem spanischen Montserrat, um der Schwarzen Madonna dort seine fromme Reverenz zu erweisen. So kraftvoll und lebendig, aber auch so andächtig und innig klingen die uralten, ohrwurmsatten Gesänge in dieser Interpretation.
Die ganze mittelalterliche Welt gibt sich auf der Platte ein musikalisches Stelldichein. Denn ausgesprochen bunt und gerade dadurch treffend ist die Besetzung mit mittelalterlichen Instrumenten für die Tradition der Jongleure, Gaukler und Spielleute (Millenarium), einem Erwachsenenchor für die einfachen oder vornehmen Pilger (Choeur de Chambre de Namur), einer Schola für die Gregorianischen Gesänge der Mönche (Ensemble Psallentes) und einem Kinderchor für die Angehörigen der Klosterschule (Les Pastoureaux).
Wenn das alles zusammenspielt und -singt wie z. B. bei Wechselgesängen und Rundtänzen, gibt es kein Halten mehr. Die alles andere als stillen mittelalterlichen Wallfahrer, die vor 1000 Jahren auf dem Montserrat ihrer Frömmigkeit in praller Sinnlichkeit Ausdruck verliehen, sorgten seinerzeit für so viel Unruhe, dass die Mönche des Klosters schließlich durch eigene Pilgerlieder dafür sorgten, dass die fromme Ekstase in geordnete Bahnen gelenkt wurde. Kurzerhand wurden populäre weltliche Lieder mit neuen Texten versehen. Diese „getauften“ Hits sorgten dafür, dass niemand mehr aus der Reihe tanzte. Aber auch Besinnliches und Stilles fand Eingang in das Repertoire, aufrüttelnde Totentänze eingeschlossen (die Musiker lassen dem ausgewählten Stück eine geradezu avantgardistische Inszenierung angedeihen). Zusätzliche Einschübe mit gregorianischen Gesängen rahmen die Volksgesänge, so dass sich Hoch- und Volksliturgisches ungezwungen verbindet.

Georg Henkel