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Reviews

Weill, K. – Brecht, B. (Conlon)

Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (Englische Fassung)


Info

Musikrichtung: Klassische Moderne Oper

VÖ: 03.12.2007

EuroArts / Naxos
DVD (AD 2007) / Best. Nr. 2056258


Gesamtspielzeit: 133:00

UNWIDERSTEHLICHER DRIVE

Kaum möglich, sich der dionysischen Energie dieser Musik zu entziehen. Gekonnt werden alle Zutaten der klassischen Nummernopern mit Elementen der U-Musik gemischt, so als hätten Mozart und Bach in Vaudeville und Musichall, Musical und Schlager gemacht. Die Ohrwurmqualität mancher Songs reicht mühelos an die der bekanntesten Musicals heran. Und wenn dann die Interpretation so auf der Höhe ist wie in diesem Fall, dann stellt man bei Kurt Weills Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny auf ein Libretto von Bertold Brecht gerne auf Auto-Repeat.
Wobei der sinnliche Kitzel, den Weills Einfallsreichtum und Klangsinn dem Hörer beschert, angesichts des kapitalismuskritischen Plots schon eine zweischneidige Sache ist: Die aus Sex and Crime geborene Stadt Mahagonny ist ein Sündenbabel, in dem alles erlaubt ist. Außer kein Geld zu besitzen und für die Vergnügungen nicht zahlen zu können. Darauf steht der Tod. Ein düsteres Szenario, bevölkert mit Glücksrittern, Huren, Schwarzen Witwen und Halunken. Trotz des abgehalfterten Personals ist dieses Exempel über die totale Völlerei hochaktuell. Weill schenkt den Figuren mit seiner Musik eine farbige Charakterisierung, die sie immer wieder über den Agitprop-Ton von Brechts Libretto hinaushebt. Und er sorgt für einen Drive, der einen die Brechtsche Botschaft leicht überhören lässt. Da wundert es nicht, dass es zwischen den beiden Meistern schon im Vorfeld zu Spannungen kam. Die Dialektik von Wort und Musik kann man bei Mahagonny in Reinkultur verfolgen.
Weill richtete die Musik trotz des relativ großen Orchesters gewohnt knackig und transparent ein, mit den bekannt schrägen Harmonien und pulsierenden Rhythmen. Die scharf konturierten Bläserregister dominieren die drahtigen Streicher. Alles steht auf Anti-Wagner und man bedauert, dass nicht noch mehr Stücke in dieser Art entstanden sind.

Dirigent James Conlon lässt ohne falsche Gefühle geradeheraus und hochpräzise spielen. Die Kollektive der Los Angeles Opera sind in jedem Moment reflexschnell und sprühen vor Energie. Das klare, leuchtkräftige Klangbild trägt auch die vorzüglichen Solisten, deren Sing- und Spiellaune die Musik zusätzlich befeuert. Die ausgebildete Opernstimme der charismatischen Musicalsängerin Audra McDonald schenkt der Edelhure Jenny Smith zwar keine Seele (die besitzt die Figur nämlich auch gar nicht), aber einen packenden Realismus. Stadtgründerin Leocadia Begbick findet in Patti Lupone eine großartige Darstellerin, die die verruchten und charmanten Seiten ihres Charakters mit einer gehörigen Portion Ironie serviert. Klasse, wie sie vokal mühelos zwischen Diven- und Schlampenregister wechselt. Jimmy McIntyre, der unglückliche Held, gewinnt im Tenor von Anthony Dean Griffey tragisches Format. Von den übrigen, ebenfalls sehr gut besetzten Herren sticht noch der in jeder Hinsicht voluminöse Dreifaltigskeitsmoses von Donnie Ray Albert heraus.
Als Bonus gibt es ein interessantes 22minütiges Interview mit Conlon.

Unbedingte Empfehlung.



Georg Henkel

Besetzung

Audra McDonal – Jenny Smith
Patti Lupone – Leocadia Bagbick
Anthony Dean Griffey – Jimmy McIntyre
Robert Wörle – Fatty the Bookkeeper
Donny Ray Albert – Trinity Moses
John Esterlin – Jack O’Brien
Mel Ulrich – Bank Account Bill
Steven Humes – Alaska Wolf Joe

Los Angeles Opera Orchestra and Chorus

Ltg. James Conlon

Regie: John Doyle
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