Reviews
tuva.rock
Info |
Wer auf Exoten im Plattenregal steht, bekommt hier ein absolutes 1a-Angebot. Denn Rockbands aus dem Inneren Asiens kurz vor der mongolischen Grenze haben bislang nun wirklich noch Seltenheitswert.
Tuva ist eine der abgelegensten Republiken der russischen Föderation. Straßen oder Eisenbahnlinie führen nicht nach Tuva und seinen 300.000 Einwohnern. Da es auch keine regelmäßigen Flugzeuge in die Republik gibt, dürfte die Hauptstadt Kyzyl mit ihren 140.000 Einwohnern eine der am seltensten besuchten Großstädte der Welt sein. Dorther stammen Yat-Kha, die moderne westliche Rockmusik mit der tradtionellen Musik ihrer Heimat verbinden. Letztere ist geprägt von der wechselvollen Geschichte Tuvas. Die Einwohner sehen sich als Nachfahren der Hunnen, antiker Turkvölker und altgläubiger Russen. In der Neuzeit gehörte die Region wechselnd zu China, der Mongolei, Russland und der Sowjetunion.
Auch wenn ungewohnte Einflüsse in der Musik unüberhörbar sind, glaube ich nicht, dass sich irgendein Rezensent gezwungen gesehen hätte, eine Herkunft dieser CD von außerhalb des gewohnten amerikanisch/europäischen Bereichs zu vermuten, wenn man sie ihm im Blindtest zu hören gegeben hätte. Denn im Mittelpunkt stehen keine exotischen Instrumente, sondern Gitarren, Drums und Vocals - nicht anders als bei 99 Prozent aller anderen Bands. Und der ethnologische Crossover hat ja zur Zeit heftige Konjunktur.
Da ich die letzten Volkshochschulkurse in traditioneller asiatischer Tonkultur leider versäumt habe, kann ich nun wirklich nicht präzise sagen, welche mongolischen oder chinesischen Enflüsse beim tuva.rock zu hören sind. (spricht sich übrigens "tuva-dot-rock"; Track 13) Aber die Herkunft zeigt Wirkung. Wirklich Vergleichbares fällt mr auch nach dem x-ten Durchhören nicht ein. Auffällig ist erst einmal der fremdartige Gesangstil. Er nennt sich "Kanzat" und ist eine Form des Untertongesanges, bei dem der Sänger zwei bis drei Töne gleichzeitig intoniert. Ehrlich gesagt, ist er aber nicht das eigentlich Faszinierende an Yat-Kha.
Mit fremdartigen Rhythmen und percussiven Elementen fabrizieren die Asiaten eine fesselnde Musik, die direkt in die Beine geht und bei längerem Genuss tranceartige Zustände erwarten lässt. Der Gedanke an traditionelle Schamanen drängt sich geradezu auf. Darüberhinaus bietet tuva.rock eine Palette sehr abwechslungsreicher Songs. Chinesisch anumtende Klänge ("Amdy Baryp") sind genauso zu hören wie Rhythmen, die mich eher an nordamerikanische Indianerstämme erinnern ("Dorug Daiym"). Nicht nur der Opener und das Titelstück sind 100%ig Tanztempel-geeignet. Daneben gibt es auch countryeske Akustikgitarren ("Carry me through") und fast schon kitschige Streicher ("Voyager"). Bei letzerem Song fiel mir endlich ein, woran mich Albert Kuvezins Stimme erinnert - an den Vocalausflug des alten Hollywood-Schurken Lee Marvin in "Wanderin' Star".
Trackliste
1 | Come along | 2:50 |
2 | Amdy Baryp | 4:22 |
3 | Langchyy Boom | 3:57 |
4 | Carry me through | 4:45 |
5 | Dorug Daiym | 4:45 |
6 | Coming Buddah | 4:58 |
7 | Eki Attar | 1:33 |
8 | The Steppe, The City, The Sea | 3:41 |
9 | Uzhur-La Bar | 3:01 |
10 | Khandagaity | 3:16 |
11 | Voyager | 5:15 |
12 | Teve-Khaia | 3:34 |
13 | Tuva.Rock | 3:45 |
14 | Amdy Baryp (Remix) | 4:28 |
Besetzung
Evgeniy Tkachev (voc, dr)
Radik Tiuliush (voc, Pferdekopfgeige)
Gäste: Sailyk Ommun (voc)
Mikahil Skripalschikov (b)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |