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Suiten für Cello Solo BWV 1007-1012
Info
Musikrichtung:
Barock Cello
VÖ: 25.05.2007 Hyperion / Codaex 2 CD (AD DDD 2006) / Best. Nr. CDA67541/2 Gesamtspielzeit: 136:59 |
LEICHTFÜSSIG
Ohne Referenz auf die Pioniertat von Pablo Casals geht es bei einer neuen Einspielung von J. S. Bachs sechs Suiten für Cello solo einfach nicht. Der katalanische Cellist hatte die Stücke in den 1930er Jahren aus der muffigen Etüdenecke herausgeholt und sie als das gespielt, was sie sind: Kunstmusik höchster Qualität. Wesentlich wurde ihm die Einsicht, dass Bachs Suiten in der Tradition barocker Tanzmusik standen, wenngleich in kunstvoll stilisierter, vergeistigter Form. Casals betonte denn auch die rhythmische Seite der Musik und erlöste die Stücke von einer schwerfälligen Romantisierung.
Genauso hält es auch Steven Isserlis in seinem aktuellen Beitrag zur längst unüberschaubaren Suiten-Diskographie. Casals gibt der Brite übrigens in einer kleinen Zugabe die Ehre: ein aus der spanischen Volksmusik entlehnter Song of the Birds rundet seine Einspielung ab.
Isserlis gelingt es, mit seinem leichtfüßigen, aber sehr genau fokussierten Ansatz, die Musik tanzen und singen zu lassen, mit einem feinen, eher helltönenden Timbre (bis auf Nr. 5, hier wird der Klang schwarz, dicht). Das gelingt ihm ohne jede vordergründige Anstrengung, ohne das „sich-hineinsägen“ in den Ton. So wirkt die Einspielung geradezu locker, insgesamt weniger körperlich und unmittelbar als beispielsweise diejenige von Bruno Cocset (Alpha), die den ganzen, auch physischen Akt der Klangerzeugung, viel intensiver abbildet - ein aufregender (aufreizender?), oft ekstatischer Moment an dieser Interpretation. Cocset ist die aufs erste Hören spannungsvollere und extremere, Isserlis die hintergründigere Einspielung gelungen.
Isserlis geht es dabei nicht um grüblerischen interpretatorischen Tiefsinn, wohl aber um die Tiefe der Musik, so wie sie von Bach erdacht wurde. Dafür hat er sich intensiv mit der verwickelten Überlieferung auseinandergesetzt (und liefert im Anhang zur Illustration drei zusätzliche Variationen für das Präludium von Nr. 1). Außerdem hat er sich seine eigenen Gedanken um mögliche hintergründige Bedeutungen der Musik gemacht. Isserlis vergleicht Bachs Cellosuiten mit den Rosenkranz-Mysterien-Sonaten des Heinrich Ignaz Franz von Biber und meint, Stationen aus dem Leben Jesu von der freudenreichen Geburt (Nr. 1) über die schmerzhafte Kreuzigung (Nr. 5) bis hin zur glorreichen Auferstehung (Nr. 6) erkennen zu können. Dies freilich gibt er als seine ganz persönliche Deutung aus. Sie drängt bei seiner feinfühligen Interpretation nicht in den Vordergrund: Es bleibt dem Hörer überlassen, ob er den Weg der Geheimnisse mitgehen möchte.
Georg Henkel
Trackliste
Suite Nr. 1-4
CD II 61:58
Suite Nr. 5-6
Song of the Birds
Drei Varianten des Preludiums von Suite Nr. 1
Besetzung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |