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Paulus
Info
Musikrichtung:
Oratorium / Romantik
VÖ: 01.05.2007 Carus Verlag / Note 1 (2 SACD hybrid (AD:2005) / Best.nr. Carus 83.214) Gesamtspielzeit: 123:49 Internet: Carus Verlag Deutsche Kammerphilharmonie Bremen |
MENSCHLICHES DRAMA
Es ist nicht leicht, der Versuchung zu widerstehen, Mendelssohns Paulus-Oratorium in klangsatter, frömmlerischer Manier darzubieten. Frieder Bernius jedoch hat mit seiner Reihe der Einspielungen von Mendelssohns Chormusik beim Carus Verlag mittlerweile viel zu viel Erfahrung gesammelt, um sich mit einer solchen Interpretation zu begnügen. Bei ihm ist das Werk und die Geschichte um den Christenverfolger Saulus, der zum Apostel Paulus wird, keine biblische Episode aus vergangener Zeit, sondern ein packendes, zutiefst menschliches Drama.
Zaghaft verschattet hebt die Ouvertüre an, gleichsam als würde sie ein (überirdisches) Geheimnis bergen; strahlend leuchtet sodann der Eröffnungschor "Herr, du bist der Gott" auf. Und dann sind wir auch schon mittendrin im Geschehen, das Bernius zügig, akzentuiert und mit starken Kontrasten lebendig macht. In den Turba-Chören scheinen trotz des eher klein besetzten Chors die Volksmassen wie entfesselt. Die Rezitative werden von den Solisten höchst unterschiedlich gestaltet: Maria Christina Kiehr verleiht mit einer ätherischen Sopranstimme den ihr zufallenden Passagen eine Aura transzendenten Leuchtens , die auch in der Arie "Jerusalem, die du tötest die Propheten" sogleich gefangen nimmt.
Werner Güra begnügt sich keineswegs mit einem neutralen Evangelistenton, sondern macht aus seinen Texten ein "musikalisches Hörbuch" von höchster Qualität. Für die Verkörperung der Titelrolle konnte mit Michael Volle ein Sänger gewonnen werden, dem hier seine musikdramatische Erfahrung auf der Opernbühne ebenso zugute kommt, wie die am Kunstlied geschulte und geschliffene Bassstimme. Diesem Paulus nimmt man die inneren wie äusseren Kämpfe ohne weiteres ab.
Der eigentliche Star des Werks und auch dieser Einspielung ist jedoch der Chor: Kaum ein Werk bietet für den Chor ein breiteres Betätigungsfeld voller Herausforderungen. Diese werdem hier bravourös gemeistert. Neben seiner hohen Klankultur zeichnet den Kammerchor Stuttgart dabei vor allem seine Fähigkeit aus, bei allem Volumen der Tongebung noch eine perfekte Durchhörbarkeit zu gewährleisten. Das kommt Mendelssohns Oratorium sehr zugute, das sonst häufig durch einen massigen, schlierigen Chorklang verunklart wird.
Perfekt gelingen auch die Wechsel vom dramatischen Einsatz zum andächtigen Chorsatz und umgekehrt. Dabei befindet sich der Kammerchor in einem wohl austarierten Gleichgewicht zum Orchester, der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Dies ermöglicht es dem Hörer, auch im Gesamtklang noch die Feinheiten des Orchestersatzes und der Instrumentierung wahrzunehmen.
Eine durchweg gelungene, überzeugende Einspielung und eine derart "runde Sache", dass man sich jetzt schon auf die für 2008 angekündigte "Elias"-Aufnahme freuen kann!
(Einziger Wermutstropfen: Das Booklet wurde in unschöner Weise in die SACD-Box hineingeklebt und das auch noch auf der linken Seite, was dem Hörer die Handhabung unnötig schwer macht. Ich sehe mich übrigens durchaus in der Lage, auch ein lose in eine Lasche eingeschobenes Textheft nicht zu verklüngeln...)
Sven Kerkhoff
Besetzung
Werner Güra, Tenor
Michael Volle, Bass
Kammerchor Stuttgart
Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Ltg. Frieder Bernius
So bewerten wir:
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06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
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