Reviews

Froberger – Berio - Sciarrino u. a. (Anzellotti)

Chanson Discrète

Info Musikrichtung: Akkordeon VÖ: 18.04.2007 Winter & Winter / Codaex CD (AD DDD 2006) Best. Nr. 910 124-2 Gesamtspielzeit: 52:20 Internet: Theodoro Anzellotti

Das Akkordeon ist ein Multi-Instrument. Auf seinem inzwischen siebten Album Chanson Discrète, das in bewährt diskophiler Aufmachung in der Musikedition Winter & Winter erschienen ist, demonstriert Theodoro Anzellotti erneut dessen klangliche Anpassungsfähigkeit. In dem ausgesuchten Konzept-Programm kombiniert der Künstler vergrübelte Cembalo-Stücke von Johann Jakob Froberger mit Musik des 20. und 21. Jahrhunderts.

Der obertonreiche, hochtönende Klang des Instruments, dass vielfältige dynamische Schattierungen und großbögige, sangliche Phrasierungen erlaubt, steht Frobergers Kompositionen gut zu Gesicht. Die klangräumlichen und -flächigen Wirkungen, die mit dem neuen Instrument möglich sind, gibt es auf dem Cembalo so nicht. Das erweitert die gestalterischen Möglichkeiten. Verblüffend, wie sehr die altmeisterliche, chromatische und ausdrucksvoll-zerklüftete Faktur der Froberger-Stücke durch die Transkription in die Nähe Neuer Musik gerät. Die hintergründigen - eben diskrete - Melancholie, aber auch der lakonische Humor von Frobergers „Erzählungen“ finden in Anzelotti einen einfühlsamen Interpreten, der die Delikatesse über vordergründige Virtuosität stellt.
Die anderen Komponisten experimentieren mit den unterschiedlichen Klangmöglichkeiten des Akkordeons, streben dabei aber ebenso nach subtilen Wirkungen: Luciano Berio spielt mit verfremdeten Volksmusikanklängen, Toshio Hosokawa imitiert den Klang der Sho, der Mundorgel aus dem traditionellen Gagaku-Orchester. Salvatore Sciarrino schließlich verspinnt Klappen, Luft- und Blasgeräusche mit zart aufblühenden Klängen zu unwirklichen Arabesken.

Eine spannende und sinnliche Musikstunde, die die Epochengrenzen souverän überschreitet und unaufdringlich das Neue im Alten und das Alte im Neuen entdeckt.

Georg Henkel