Reviews
Aschenbrödel (DVD)
Info
Musikrichtung:
Ballett
VÖ: 27.02.2007 EuroArts / Naxos (DVD (AD: 1999, live) / Best.nr. 2055928) Gesamtspielzeit: 122:00 Internet: EuroArts Ballett der Wiener Staatsoper |
WIENER BONBONSCHACHTEL
Johann Strauß (1825-1899) als Ballettkomponist? - Das dürfte selbst eingefleischte Walzer- und Polka-Fans überraschen. Doch tatsächlich: Im Sommer 1898 begann Strauß auf Drängen einiger Freunde damit, ein Aschenbrödel-Ballett zu komponieren. Dessen Fertigstellung und Uraufführung sollte er indes nicht mehr erleben. Nachdem der Meister am 3. Juni 1899 verstorben war, übernahm es Josef Bayer, das Werk unter Verwendung des nachgelassenen Materials zu vollenden. Zum ersten Mal auf die Bühne kam das Stück dann kurioserweise nicht in Wien, sondern 1901 in Berlin. Immerhin: Zum Strauß-Jubiläumsjahr 1999 brachte man in der Wiener Staatsoper eine Neufassung des selten zu sehenden Balletts auf die Bühne.
Das Libretto behandelt den Aschenbrödel-Stoff recht frei: Der Prinz ist hier ein Modeschöpfer und Warenhaus-Erbe namens Gustav. Das von ihm erwählte und von der Stiefmutter samt den Stiefschwestern gemobbte Aschenputtel heißt Grete und präsentiert sich als begabte Modezeichnerin. Naja, die kostbaren Schuhe, mit deren Hilfe der Prinz, äh, Modeschöpfer, seine Angebetete nach einer rauschenden Ballnacht wiederfindet, gibt es allerdings trotzdem. Stilecht endet das ganze mit dem glücklichen Wiedersehen von Gustav und Grete in der Brautmodenabteilung des Kaufhauses, wo auch die übrigen Figuren noch zueinander finden.
In der Inszenierung von Renato Zanella hilft dem Glück dabei Johann Strauß selbst als optisch seinem goldenen Wiener Denkmal nachempfundener Deus ex machina auf die Sprünge. Eine hübsche Idee, ihn mit dem Leierkasten über die Bühne ziehen und mit seinen weltberühmten Melodien wie Orpheus die Gefühle der handelnden Personen beeinflussen zu lassen. Hierdurch wird dem profanisierten Märchenstoff ein wenig von seinem Zauber zurückgegeben.
In der Choreographie setzte Zanella fast vollständig auf die Elemente des klassischen Balletts. Nur einige wenige Anleihen aus der Welt des modernen Tanztheaters werden hier und da eingestreut. Dass dennoch keine Langeweile und Biederkeit aufkommt, liegt zum einen an den ironischen Brechungen, zum anderen an der herrlich bunten Ausstattung.
Für die Ironie steht nicht zuletzt die Stiefmutter, die von einem Mann getanzt wird. Wolfgang Grascher muss zu diesem Zweck in die absurdesten, ausladendsten Kostüme schlüpfen und stakst bzw. fegt wie ein überdimensionales Knallbonbon über die weiträumige Bühne.
Insgesamt erweist es sich als Glücksgriff, dass man sich für die Ausstattung und die Kostüme der Hilfe des Modedesigners Christian Lacroix bedient hat. Seine technicolorartige Farbwahl mit viel Glanz und Glitter sowie sein Hang zu exzentrischen Formen entrücken das Geschehen zusätzlich in die Welt des irreal märchenhaften, ohne kitschig zu wirken. Dass Lacroix besonders für seine Hochzeitsmoden berühmt ist, macht sich dann überdeutlich in der Schlußszene bemerkbar, die in puncto Ausstattung das Auge wahrhaft schwelgen lässt.
Dass das Ballett der Wiener Staatsoper bei Strauß ganz in seinem Element ist, versteht sich von selbst. Die Bewegungen sind bei aller Virtuosität so fließend-elegant wie die Musik selbst. In der Titelrolle überzeugt Eva Petters mit viel anmutiger Ausdruckskraft, der Gregor Hatala als Gustav das kraftvoll markante Pendant entgegensetzt.
Besondere Erwähnung verdient die energiegeladene Leistung von Christian Rovny in der Rolle des Johann Strauß jr.
Das Orchester der Wiener Staatsoper legt sich für "seinen" Strauß mächtig ins Zeug. Michael Halász hält die Musik in der notwenigen rauschhaften Dauerbewegung und findet dabei so viel unterschiedliche Ansätze, dass diese zwei Stunden Strauß non-stop nicht nur eine Augenweide sind, sondern trotz des beschränkten Ausdrucks- und Wechselschemas vom 2/4- zum 3/4-Takt auch das Ohr erfreuen.
Sven Kerkhoff
Besetzung
Gustav: Gregor Hatala
J. S. jr.: Christian Rovny
Madame Leiontine: Wolfgang Grascher
Fanchon: Jolantha Seyfried
Yvette: Simona Noja
Fräulein Cerrini: Brigitte Stadler
Herr Querra: Tamás Solymosi
Ballett der Wiener Staatsoper
Choreographie: Renata Zanella
Orchester der Wiener Staatsoper
Ltg. Michael Halász
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