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Reviews

Schubert, F. (Andsnes)

Sonate D958, Gesänge des Harfners, Fragmente


Info

Musikrichtung: Romantik

VÖ: 16.03.2007

EMI Classic / EMI (CD, DDD (AD: 2006) / Best.nr. 0946 3 84321 2 8)

Gesamtspielzeit: 59:08

Internet:

EMI Classics

Leif Ove Andsnes

TOTENGRÄBERS HEIMWEH

Mit dieser Aufnahme schließen Ian Bostridge und Leif Ove Andsnes ihren Zyklus mit Kopplungen von Schuberts späten Klaviersonaten und Liedern bei EMI Classics ab. Und noch einmal werden die besonderen Qualitäten dieses Projekts und das außergewöhnliche Zusammenspiel der beiden Künstler überdeutlich.

Die Sonate in c-moll D958 spielt Andsnes zwar mit gefühlvoller und nie geräuschhafter Tongebung, jedoch zugleich mit großem Gespür für den dramatischen Charakter des Werkes. Feinste agogische Rückungen, bedeutungsschwere Pausen, schmeichelnde Läufe - Andsnes lässt kein Mittel zur Gestaltung aus und gelangt dabei zu einer gleichermaßen klugen wie klangschönen Deutung. Auf dem modernen Flügel gerät zumal das ansonsten oft vernachlässigte Adagio, sempre ligato völlig überzeugend. Die Tempi wählt Andsnes recht zügig, ohne dass der Eindruck deplatzierter Hast entstünde. Vielmehr wird allein der drängende Charakter, die Darstellung innerer Zerissenheit hervorgehoben. Trotz der Tempi huscht Ansdnes zudem über keine Note hinweg. Hier wird nicht verunklart, sondern alles offen zutage gelegt. Dies abzubilden ist den Tontechnikern indes nicht vollständig optimal gelungen, denn über den Klang der Sonate legt sich ein leichter akustischer Grauschleier.

Bei der Liedbegleitung übt Ansdnes sich sodann nicht in bescheidender Zurückhaltung, sondern tritt als gleichberechtigter Mitgestalter neben dem britischen Tenor Ian Bostridge in Erscheinung. Bostridges Vortrag ist für seine Verhältnisse diesmal vergleichsweise unprätentiös, bleibt aber gewohnt ausdrucksstark. Wie der Sänger die Stimmungswechsel in der Nr. 3 aus den "Gesängen des Harfners" und vor allem im romantisch-schauerlichen Lied "Totengräbers Heimweh" nachzeichnet, ist beeindruckend. So fern uns die Liedtexte als solche bisweilen scheinen mögen: Bostridges unbedingter Gestaltungswille bringt ihren Sinngehalt emotional zum Greifen und ergreifend nah. Seine Liedinterpretationen sind stets äusserst persönlich, dadurch aber auch von suggestiver Kraft. Seine Stimme hat zudem mittlerweile auch in der Tiefe angenehm an Volumen gewonnen.

Schließlich dokumentieren die beiden Künstler auch eine Reihe von Fragment gebliebenen Schubert-Werken. Während das Lied "Lebensmut" mit der ersten Strophe abschließt (damit allerdings den Sinn des Rellstab-Gedichtes konterkariert), sind "Pflicht und Liebe" sowie "Johanna Sebus" echte musikalische Cliffhanger. Ansdens und Bostridge schaffen es aber, das Abbrechen der Komposition als stilistisches Mittel erscheinen zu lassen. Zugleich belegt ihre Interpretation, dass diese Fragmente es fraglos wert sind, aufgeführt und beachtet zu werden. Von minderem kompositorischem Rang jedenfalls sind sie nicht und so muss man bedauern, dass Schubert sie nicht zum Abschluß gebracht hat.



Sven Kerkhoff

Trackliste

Klaviersonate c-moll D958
1 Allegro 10:50
2 Adagio 07:16
3 Menuett 03:18
4 Allegro 08:15

Gesänge des Harfners D478
5 Wer sich der Einsamkeit ergibt 03:52
6 An die Türen will ich schleichen 01:53
7 Wer nie sein Brot mit Tränen aß 04:01

8 Totengräbers Heimweh D842 06:01

Fragmente
9 Pflicht und Liebe D467 01:17
10 Allegretto D900 in c-moll 01:55
11 Lebensmut D937 0:54
12 Allegretto D346 C 04:28
13 Johanna Sebus D728 02:20
14 Andantino D348 in C 02:48

Besetzung

Ian Bostridge, Tenor (5-9, 11, 13)
Leif Ove Andsnes, Klavier
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