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Reviews

Wagner, R. (Krauss)

Der Ring des Nibelungen


Info

Musikrichtung: Romantik Oper

VÖ: 02.10.2006

Opera d’Or / SunnyMoon
14 CD (AD DDD 1953) / Best. Nr. 8204967


Gesamtspielzeit: 852:00

SELTENE SACHE: EIN RUNDER "RING"

Auch wer sich als Sammler zum „Herrn der Ringe“ entwickelt hat, kann mit Lessings Nathan feststellen: „Der echte Ring war nicht erweislich“. Jede Aufführung von Richard Wagners ‚Ring des Nibelungen’, auch die unter Studiobedingungen (wie der herrliche Pathé-Ring von 1930, Moralt 1950 und Karajan in den 70ern), erschafft das Werk neu, allerdings mit recht unterschiedlichem Erfolg. Spannender ist, was wirkliche Ensembles als Gesamtleistung erbringen. Die Erst- oder (wie hier) Wiederveröffentlichung apokrypher Ringe aus den besten Nachkriegsfestspieltagen zeigt, wie vielfältig die Möglichkeiten auch bei ähnlichen Besetzungen sind: Was vom frühen Karajan, Kempe, immer wieder Knappertsbusch und leider nur ein einziges Mal auch von Clemens Krauss geboten wurde, sind authentische Dokumente, die ein völlig anderes Niveau bezeugen als im gegenwärtigen Bayreuth üblich. Astrid Varnay ist nie so monumental und lyrisch zugleich gewesen („Starke Scheite“), Hans Hotter hat seine Walküren-Tochter nie so schubertisch-strömend in den Schlaf gesungen wie in dieser Aufführung. Windgassen zeigt in den Schmiedeliedern und im Sieg-fried-Finale eine Strahlkraft, wie sie ihm keiner zutrauen würde, der seine Stimme nur von ihrer späten „stimmlosen“ Deklamation (immerhin: er weiß im-mer, was er singt!) unter den Dirigaten von Solti oder Böhm kennt. Apropos Dirigat: Krauss unterströmt den Gesangsvortrag mit einem geradezu straussisch funkelnden Orchester, das die Stimmen trägt und in die gesamte Textur einbindet. Er musiziert Details hörbar, die sonst nur lesbar sind, nimmt Einsätze in unterschiedlicher Stärke oder sforzato, so daß die in-strumentalen Schichten plastisch gestaffelt hervortreten und die Stimmen insgesamt ein Gewebe bilden, aber nicht brutal-polierte Klangflächen oder -blöcke wie etwa bei Solti. So ungefähr könnte Gustav Mahler als Wagner-Dirigent gearbeitet haben, wenn man seinem hinterlassenen Dirigiermaterial trauen kann. Die Tempi sind bei Krauss nie extrem, sondern orientieren sich an der Sängerdeklamation; Verzierungen und kleinste Einheiten verwischen nicht. Manchmal mag dieser „Ring“ eine Spur zu samtig und leuchtend klingen, ein wenig zu sehr nach „Rosenkavalier“ duften, aber er beweist, daß Wagners Klang unter den richtigen Händen nicht in unstrukturiertes Getöse ausartet.

Aber: Auch dies ist, trotz superber sängerischer Leistungen, nicht der „Ring“ der Ringe, sondern nur ein weiterer Aspekt dieser unausschöpflichen Partitur. Ich bevorzuge die herbe Linearität Keilberths, an der sich gerade Karajans Studioaufnahme nicht selten orientiert, oder die manchmal fast in-terpretationslose Epik des 56er „Rings“ von Knappertsbusch (zumal diese Aufnahmen ein ausgewogeneres Klangbild haben, das nicht nur die Sänger fo-kussiert: daher Punktabzug). Und dennoch liegt eine große und geschlossene Aufführung vor, zugleich eine Anregung, Gewohntes fremd und wieder spannend zu finden. Eine Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen: Mir bleibt es ein Rätsel, warum bisher immer wieder die Furtwängler-„Ringe“ so belobt worden sind. Liegt es daran, daß Bayreuth die 50er-Jahre-Mitschnitte (Keilberth, Knappertsbusch, Krauss) so lange unterdrücken konnte? Die oft steuerlos da-hinschlampenden Orchester in den beiden „Ring“-Zyklen Furtwänglers (man vergleiche die Aufnahmen und suche einmal nach einem interpretatorischen Konzept im Dirigat!), die teilweise schlecht disponierten oder altersschwachen Stimmen können es nicht gewesen sein. Jetzt wird auch mit dieser Aufnahme wieder nachprüfbar, was vorher mehr eine Legende für (Vinyl-)Schwarzmarkt-Sammler oder für Überlebende dieser Ära war.



Peter Hofmann

Trackliste

1CD 1-2: Das Rheingold
2CD 3-6: Die Walküre
3CD 7-10: Siegfried
4CD 11-14: Götterdämmerung

Besetzung

Windgassen, Neidlinger, Greindl, Hotter, Varnay, Malaniuk, Streich, Ilos-vay, Resnik, Vinay, Weber

Bayreuther Festspielorchester
Ltg. Clemens Krauss
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