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Trobar. Chansons d’amour, de la vierge à la Dame
Info
Musikrichtung:
Mittelalter Ensemble
VÖ: 01.01.2007 Alpha / Note 1 CD DDD (AD 2006) / Best. Nr. Alpha 522 Gesamtspielzeit: 65:19 |
ZWISCHEN KLOSTER UND PALAST
Vieles von der legendären Kunst der hochmittelalterlichen Troubadoure liegt im Dunkel. Die erhaltenen Melodien verraten noch nichts über ihre Ausführung: ob und wie Stimme und Instrumente zusammengehen, ob der Sänger die Melodien verziert oder geradlinig ausführt, welche Stimmfarbe die richtige ist usw. Bereits die Aufführungspraxis des Mittelalters war sehr variabel, die notierte Musik fixiert lediglich einen Moment der Aufführungsgeschichte.
Entsprechend vielfältig sind die interpretatorischen Ansätze heutiger Musiker. Die einen warten mit einer viele Instrumentalfarben aufbietende Mittelalterjamsession auf. Die anderen halten es bewusst schlicht und beschränken sich auf die nackte Stimme mit einfacher Begleitung.
Auf dieser zurückhaltenden, historisch plausiblen Linie liegt auch die Darbietung des Ensembles Beatus, das unter der Leitung und Mitwirkung des Baritons Jean-Paul Rigaud Lieder von Bernard de Ventadour, einem der berühmtesten Troubadoure, ausgewählt hat. Dessen einstimmigen weltlichen Liebesliedern wurden mehrstimmige Gesänge aus liturgischen Handschriften der Abtei St. Martial in Limoges gegenübergestellt, von denen sich Ventadour offenbar anregen ließ. Huldigt Ventadour in seinen Liedern einer unbekannten (und unerreichbaren) Hofdame, so schwelgen die klöstelrichen Gesänge in der Hingabe an Maria, der himmlische Königin. Die im hohen Mittelalter aufflammende Marienminne dürfte für die Verfeinerung und Überhöhung auch der weltlichen Erotik eine wichtige Quelle gewesen sein. Umgekehrt ließ sich die irdische Erotik leicht in geistliche Liebe sublimieren und auf Maria zurückprojizieren.
Die Martial-Gesänge führen an die Wurzeln abendländischer Mehrstimmigkeit. Die formelhaften Wendungen und schönen Dissonanzen erstarren bei Beatus glücklicherweise nicht in einem historisierenden Akademismus. Ihr strenger, archaischer Duktus wird vielmehr mit angemessener Emphase umgesetzt. Deutlich wird durch die unterschiedlichen Timbres das additive Prinzip der frühen Mehrstimmigkeit: Zum ursprünglichen Cantus tritt eine weitere, mehr oder weniger reich ausgezierte Stimme hinzu, das Ganze klingt dann wieder nach viel mehr als die Summe seiner meist recht "einfachen" Teile eigentlich erwarten ließ.
Die Lieder Ventadours begleitet eine Fidel. Gesungen wird mit unverfärbten, aber individuellen Stimmen, ausdrucksvoll und virtuos, manchmal sogar mit etwas Vibrato, wobei das dichterische Wort stets Ausgangs- und Zielpunkt der Interpretation bleibt. (Leider bietet das Libretto zu den altfranzösischen Originalen nur Übersetzungen in modernem Französisch.)
Das überzeugende Konzept und die nicht weniger gelungene Umsetzung durch das Ensemble Beatus dürfte bei Mittelalterfans jedweder Couleur auf offene Ohren treffen.
Georg Henkel
Trackliste
1 | Prima mundi (benedicamus versus de St Martial) ms 1139 f58v |
2 | Inviolata Maria (prose de St Martial) ms3719(c)f81 |
3 | Ara non vei luzir solelh (canso) Bernard de Ventadour |
4 | Lilium floruit (versus de St martial) 3719 (c)43r,v |
5 | Per letalis pomi pastum (versus de St Martial) Lond add 36881 |
6 | Lanquan fuelhan (canso) Bernard de Ventadour |
7 | Congaudet hodie (versus de St Martial) Lond add 36881 f23r |
8 | Divinum stillant (versus de St Martial)ré |
9 | Non es meravelha (canso) Bernard de Ventadour |
10 | Resonemus (versus de St Martial) |
11 | Can vei la lauzeta (canso) Bernard de Ventadour |
12 | Veri solis radius (versus de St Martial) L 3549 f14 |
13 | Estat ai (canso) Bernard de Ventadour |
14 | Can voi l’allouette |
Besetzung
Olivier Marcaud, Tenor
Emmanuel Bouquey, Bariton
Evelyne Moser, Fidel
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |